Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
Nacht. Stille.
Was – oder wer? – hatte dieses Geräusch verursacht?
»War das ein Tier?«, flüsterte Kathy kaum hörbar, aber niemand antwortete. Sie alle starrten in die Dunkelheit, aus der das Knacken gekommen war.
Da war es wieder.
Blätter raschelten. Noch mehr Äste zerbrachen, nun hörte man deutlich schwere Schritte.
Die Mädchen sahen sich erschrocken an, drängten sich aneinander. In Leóns Faust blitzte wie durch Zauberei das Messer auf. Er duckte sich ein wenig, zog den Kopf zwischen die Schultern und schob das Kinn vor, er wirkte entschlossen und kampfbereit. Tian hingegen war näher an das Feuer herangetreten, so als könnten ihn das Licht und die Wärme schützen.
Wieder krachte es im Unterholz. Man hörte ein leises Keuchen.
Jeb wirbelte herum und zog einen brennenden Ast aus den Flammen, den er wie ein gezücktes Schwert den Geräuschen entgegenstreckte.
Etwas kam auf sie zu.
Schnell.
Mit schweren Schritten.
Gleich würde es da sein.
8.
Der Schatten stürmte auf die kleine Lichtung unter dem Baumriesen und sackte zu Boden. Mary schrie auf, sie kauerte wie die anderen neben dem Feuer, bereit zu fliehen. Lediglich León stand vor dem Eindringling und sprang mit einem einzigen Satz vor. Seine Bewegungen waren kaum sichtbar, so schnell ging es. Die Klinge blitzte auf, jagte hinab… als er plötzlich innehielt.
»Es ist einer von uns«, sagte er ruhig. Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei.
Tatsächlich, vor ihnen, in gekrümmter Haltung, lag japsend ein Fremder. Das kurze hellblonde Haar klebte nass an seinem Kopf. Unter der Wanderjacke hob und senkte sich hektisch sein Brustkorb. Sein schwerer Atem erfüllte die Stille.
Jeb warf seinen brennenden Ast zurück ins Feuer und trat näher. Der fremde Junge schien sich nicht bewegen zu können. Jeb sah, wie die Augenlider unkontrolliert flatterten, er zuckte am ganzen Körper. Dann plötzlich ein kaum hörbares Krächzen. »Wasser.«
Sofort ging Jeb zu seinem Rucksack und zog die Wasserflasche heraus. Er kniete sich neben den Jungen, stützte mit der Hand den Nacken des anderen, während dieser gierig das Wasser schluckte. Flüssigkeit rann sein Kinn hinab, aber er trank weiter, bis die Flasche leer war. Jeb seufzte stumm. Er selbst hatte sein Wasser eisern rationiert und fast nichts getrunken.
Der Junge drehte sich auf den Rücken, legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an.
Hell und klar wie ein Bergsee leuchteten seine unglaublich blauen Augen im schwachen Schein des flackernden Feuers.
León hatte das Messer wieder eingesteckt und sah neugierig auf den Jungen hinab.
»Danke«, flüsterte der Fremde. »Ich renne schon seit Ewigkeiten. Mein Name ist Mischa.«
Seltsamer Name, dachte Jeb. Klingt fremd.
»Ich bin Jeb, das hier ist León. Woher kommst du? Warum bist du so gerannt?«
»Ich wurde angegriffen.« Der Junge deutete auf seinen linken Arm, der merkwürdig leblos neben ihm lag. Es war offensichtlich, dass jede Bewegung ihn unendlich viel Kraft kostete. »Ich weiß nicht, von wem oder von was, ich bin einfach nur davongerannt. Sie waren die ganze Zeit hinter mir. Ich hatte eigentlich keine Chance. Ich dachte, hier im Wald kann ich sie vielleicht abhängen. Dann hab ich das Feuer gesehen.« Er brach erschöpft ab.
»Sind deine Verfolger immer noch hinter dir her?«
»Ich weiß nicht, vielleicht haben sie meine Spur verloren. Sie haben die ganze Zeit schreckliche Schreie und Gekreische hervorgestoßen.« Mischa seufzte. Er wandte seinen Kopf und blickte zu den anderen, die um das Feuer saßen. »Hilf mir, mich aufzurichten.«
Jeb schob ihm die Hand unter den Rücken, dann zog er Mischa auf die Füße. Sein linker Arm hing schlaff herunter.
»Was ist mit deinem Arm?«, wagte Jenna zu fragen.
»Da hat mich dieses Biest… berührt, seitdem hab ich irgendwie das Gefühl darin verloren. Aber warte mal…« Er trat näher ans Feuer heran und hielt seinen Arm über die Flammen. »... meine Finger, ich kann sie wieder bewegen!«
Hastig riss er sich die nasse und teilweise zerfetzte Jacke und das Hemd vom Leib. Nun hielt er seinen nackten Arm über das Feuer, indem er ihn mit der anderen Hand stützte. »Das ist so… als würde er wieder auftauen. Scheiße und ich dachte schon, ich könnte den vergessen!«
Mary und Jenna sahen sich bestürzt hat. Kathy hatte sich wieder auf ihren Schlafsack fallen lassen. Tian fand als Erster seine Stimme wieder. »Aber wer hat dir das angetan? Und warum? Wieso haben sie dich
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