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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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verschiedenen Gelassen der Hölle«, sagte ich. »Ich habe nicht die Absicht, freiwillig dorthin zurückzukehren und weitere Kammern zu erkunden.«
    »Auch dann nicht, wenn dein behagliches Paradiesgärtchen nicht anders vor Wildschweinen und Plünderern geschützt werden kann?«
    »Tja.«
    Bellini verschränkte die Arme auf dem Tisch und sah mich schweigend an. Ich überlegte, wie alt er sein mochte; irgendwie schien er sich seit unserer ersten Begegnung vor zwölf Jahren nicht verändert zu haben. Damals war er wohl knapp über dreißig gewesen, ein eleganter junger Offizier, und so sah er immer noch aus. Die Zeit hatte allenfalls ein paar Schleifspuren um seine Augen hinterlassen. Seine Augen, die unvermindert scharf und durchdringend blickten.
    »Bist du immer noch, was du warst – capo? «
    Er hob eine Braue. »Solange es dem Rat der Zehn gefällt. Und Seiner Exzellenz.«
    »Wie alt ist der Doge inzwischen?«
    »Muß dieses Jahr achtzig werden. Ungefähr.«
    Andrea Gritti, seit 1523 Doge, zuvor ein guter Generalkapitän und ein listiger Politiker, war einige Zeit vom jungen Lorenzo Bellini geschützt und bewacht worden; nach der Wahl zum Dogen hatte er ihn als Mann seines Vertrauens zum Unterführer der städtischen Ordnungshüter machen lassen.
    »Und wenn er irgendwann stirbt? Meinst du, der nächste Doge übernimmt dich? Oder wird er einen neuen Mann suchen?«
    »Irgendwann stirbt jeder; der Nachfolger ist ungewiß, ebenso seine Absichten.« Bellini machte eine wischende Handbewegung. »Aber wir wollten nicht von meiner Zukunft reden, sondern von unser aller Gegenwart.«
    »Meine Gegenwart ist hier.« Ich ging zur anderen Seite des Tischs und setzte mich auf einen Stuhl. »Die Druckerei, die Papiermühle in Mestre, die Familie.«
    »Keine Gefühle von Dankbarkeit?«
    »Dankbarkeit?«
    Bellini kniff ein Auge zu und nickte. »Dafür, daß Venedig dir Zuflucht geboten hat.«
    Ich lachte halblaut. »Meine Dankbarkeit dafür habe ich durch gründliche Beteiligung am Zoll- und Steueraufkommen der Republik bekundet. Und dadurch, daß ich einigen Leuten Brot und Arbeit gegeben habe.«
    Er seufzte. »Schon recht. Willst du dir nicht wenigstens anhören, wozu wir dich brauchen?«
    Ich zögerte.
    »Oder fürchtest du, es könnte dich am Ende reizen? Irgendwie erscheint mir nach den Jahren des Suchens und Kämpfens deine Seßhaftigkeit ... unglaubwürdig.«
    »Ich habe zu Ende gekämpft«, sagte ich. »Alles, was ich gesucht habe, ist hier. Und in Mestre.«
    »Eine schöne Frau, der eine Papiermühle und eine Drukkerei gehören? Zwei angenommene Kinder?«
    »Ich will dir etwas verraten. Sie sind nicht angenommen.«
    »Ah.« Er hob die Brauen und starrte mich an. »Sie war doch zweimal verheiratet, ehe du dich hier niedergelassen hast.«
    »Ihr Vater hatte die Druckerei und Schulden, und dann ist er gestorben. Der Herr der Papiermühle hat Druckerei, Schulden und Laura ... übernommen, sagen wir mal, und dann ist er gestorben. Ich wollte sie heiraten, aber sie verlangte, daß ich, wie du sagst, seßhaft werde. Ich hatte aber noch etwas zu erledigen. Dann hat sie diesen Marco geheiratet. Er war gut zu ihr, er ist früh gestorben, und ich glaube, er hat bis zum Schluß nicht gewußt, daß die Kinder nicht von ihm sind.«
    Bellini trank einen großen Schluck und setzte den Becher hart auf den Tisch. »Warum erzählst du mir das? Es ist doch euer Geheimnis.«
    »Kein Geheimnis«, sagte ich. »Man muß es nur nicht jedem ins Ohr brüllen. Und ich sage es dir, damit du es verschweigst. Und damit du merkst, daß ich dir vertraue.«
    »Vertrauen?« Er gluckste. »Das heißt, du erwartest, daß ich dir ebenfalls vertraue, wie? Und offen mit dir rede? Ohne Vorbehalte und Geheimnisse?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Herr der Ordnung und der Kenntnisse – halte mich nicht für einfältig.«
    »Nicht? Wofür denn?« Dabei grinste er breit.
    »Du bist nicht zu mir gekommen, um über die Sauberkeit der Straßen oder den Schmutz in den Kanälen zu reden. Auch nicht, um mich zum Leibwächter eines eurer Edlen zu machen.«
    Er hob die rechte Hand. »In Venedig gibt es keine Edlen. Wie du wissen solltest.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Nennt es, wie ihr wollt. Die Handelsfürsten sind auch Fürsten, selbst wenn sie sich nicht als edle Aristokraten, sondern nur als ›Vornehme‹ gebärden. Du bist gekommen, um mit mir über die Verwerfungen der Meeresfläche und die Wogen an Land zu reden. Daraus schließe ich, daß du nicht nur für

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