Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Ich soll Euch ausrichten, daß man zuweilen nur spielt, um festzustellen, wie hoch der Einsatz des anderen ist und wie ernst seine Absichten.«
Er zog ein Papier aus der Ledertasche an seinem Gürtel und reichte es mir; dann verneigte er sich, berührte Brust, Mund und Stirn mit der Hand, stieg auf sein Pferd und gab den Befehl zum Aufbruch. Sie waren einen halben Tag und eine Nacht geritten; ich weiß nicht, ob die Pferde sie noch tragen konnten, aber es kümmerte mich nicht weiter. Meine Wunden schmerzten, ich fühlte mich leer, und auch der Anblick der Zahlungsanweisung über zweitausendfünfhundert Zechinen, die Selim Effendi mir zurückgeben ließ, erheiterte mich nicht.
Goran würde jetzt vermutlich sagen, ich sollte mich kurz fassen und einen schönen Schluß finden. Oder, wenn nicht schön, dann wenigstens gründlich schlecht. Wir haben ihn fortgeschickt, zu seinen Söhnen, und die Nacht in seinem Haus mit Beratungen und dem Austausch von Kenntnissen verbracht. Morgens gingen wir zum Boot, mit dem Bellini und die anderen von Korcula herübergekommen waren. Bekim wollte Goran in kleine Stücke schneiden und diese Belgutai zum Rösten geben; ich sagte, sie sollten ihn leben lassen, aber ich habe mich nicht von ihm verabschiedet.
Lorenzo Bellini hatte mir irgendwann im Lauf dieser Nacht des Redens und Trinkens und Beratens gesagt, er habe mir gern beim Kämpfen zugesehen und wolle noch lieber auf jede Wiederholung verzichten. Ferner solle er mir von Katona ausrichten, man habe die von Bekim gefundene Leiche von Meister Nikola in Dubrovnik ehrenhaft bestattet, obwohl der »alte Schuft« derlei nicht verdiene.
»Was hat er denn eigentlich gemacht, und wie ist er gestorben?« sagte ich.
Bellini zuckte mit den Schultern. »Er hat mit Kenntnissen gehandelt.« Dann kicherte er. »Wie gewisse Musiker. Karim Abbas war sein ... sagen wir, Geschäftspartner. Einer seiner Geschäftspartner, besser.«
»Und sein Tod?«
»Wir wissen es nicht genau.«
»Wer ist ›wir‹?«
Bellini zwinkerte. »Katona und ich, beispielsweise.«
»Du bist doch gar nicht mehr für die Ordnung und Sicherheit zuständig.«
»Hängt alles zusammen, mein Freund. Übrigens auch mit dir und deinen letzten zwei Schreiben.«
»Erklär es mir bitte so, daß ich es auch müde noch verstehen kann.«
»Ich will es versuchen. Mein Nachfolger ...« Er rümpfte die Nase. »Netter Kerl, aber ein wenig einfältig. Glaubt an offene Worte und die Ehrbarkeit der Herrschenden.«
Ich versuchte zu lachen, was die Wunde am Brustkorb aber gründlich verhinderte. »Au. Einer von denen, ja?«
»Genau, einer von denen, die glauben, mit ein paar guten Worten einen tollwütigen Keiler beschwichtigen zu können. Ich habe ein paar wirre Zustände im Arsenal beschwichtigt, um es mal so zu sagen; Katona hat sich zunächst weiter an mich gewandt, ein paar andere, hm, anderswo, auch; und dann kamen deine beiden Schreiben. Mit denen bin ich zu meinem Nachfolger gegangen und dann mit ihm zum Dogen. Dem habe ich von Karim Abbas erzählt, und als mein Nachfolger sagt: ›Karim wer?‹, schickt der Doge ihn weg und setzt mich wieder als capo ein. Die Möglichkeit, Karim außerhalb unserer Lande zu erwischen, also ohne Verwerfungen zwischen Venedig und der Pforte, fand der Doge so hübsch, daß er mir ein Schiff und ein paar gute Leute bewilligt hat.«
»Das freut mich«, sagte ich. »Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, woran Meister Nikola gestorben ist.«
»Wahrscheinlich an einem Messer. Wahrscheinlich in der Hand von Karim Abbas.«
»Und warum?«
Bellini seufzte. »Da gibt es nur Vermutungen. Nach dem Ende der Heiligen Liga ... du weißt ja, wir verhandeln mit den Türken über einen dauerhaften Frieden, und der wird schrecklich werden. Und schrecklich teuer. Wir werden wohl alles aufgeben müssen, was sie uns sowieso genommen haben – Cefalonia, zum Beispiel –, und noch ein paar andere Dinge dazu. Curzola werden wir wohl behalten können, den Streifen dalmatinische Küste nördlich von hier aber nicht. Ich fürchte, danach werden wir keinen einzigen Stützpunkt mehr auf der Peloponnes haben; aber das nur nebenbei. Wir – Katona und ich – vermuten, daß Meister Nikola den Frieden für uns noch ein bißchen teurer machen und ihn hinauszögern wollte. Du weißt ja, wie sehr man uns Venezianer in Ragusa liebt. Karim hat für Selim Effendi gearbeitet – unter anderem; ich weiß nicht, für wen noch, außer natürlich für sich selbst. Also, wahrscheinlich
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