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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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unauffällig. Jeder aufmerksame Zuhörer, dem so eine Geschichte erzählt wird, fragt sich, warum diese Leute beschrieben werden. Und er wird sich sagen, entweder ist dies ein schlechter Märchenerzähler, einer, der unwichtiges Beiwerk einflicht, nur weil es ihm gefällt; oder er ist ein guter Märchenerzähler, dann kann das kein Beiwerk sein, sondern dient wahrscheinlich dazu, diese Leute einzuführen. Also nicht unauffällig.«
    »Du vergißt, daß es auch eine, na ja, mindestens eine weitere Sorte Märchenerzähler gibt.«
    »Nämlich?«
    »Die, deren Weg aus Umwegen besteht. Eine Geschichte ganz aus Abschweifungen und Beiwerk, und am Schluß ergibt sich daraus plötzlich eine Geschichte. Oder wenigstens das Bild eines Menschen.«
    Goran dachte ein paar Augenblicke darüber nach; schließlich schüttelte er den Kopf. »Mag sein, aber so einer bist du nicht. Oder wenn, dann will ich es nicht lesen.«
    »Ich verspreche, ich werde dich nicht mit nutzlosem Tand langweilen.«
    »Gut. Welche Leute tauchen denn auf diesem Ball auf? Ich habe ja einen Teil der Geschichte erlebt; kenne ich die, um die es da geht?«
    »Dandolo«, sagte ich. »Und Karim Abbas.«
    »Dandolo?« Er klatschte in die Hände. »Weißt du, an was er mich immer erinnert hat? Oder an wen? Eine Figur aus einer Komödie oder einem Schwank – der, der immer einen Scherz macht und zwischendurch anfängt, herumzuspringen. Und der dabei in der Luft die Hacken zusammenschlägt.«
    Ich schloß einen Moment die Augen, dachte an Antonio Dandolo, den jungen Mann, der von Einfällen sprühte – Einfälle wie sein Haar, üppig, wallend und gelockt. Einfälle bis auf die Schultern, gewissermaßen, und oft auch bis zur Hüfte. Oder zum Gemächt.
    »Und Karim Abbas?« Goran knurrte etwas. »Überhaupt, seltsame Namen haben die, oder? Karim ist ›der Großzügige‹, und ist er großzügig? Abbas ist ›der Düstere‹, und wie geht das zusammen? Kann man großzügig und düster sein? Düster großzügig? Großmütig im Verteilen von Finsternis? Bah.«
    »Unsere Namen sind doch auch nicht besser.«
    »Wie meinst du das?«
    »Jakob heißt ›der Fersenhalter‹, und halte ich vielleicht Fersen? Und was ist mit Goran? Was bedeutet das?«
    »Der Große.« Goran kicherte. »Oder ›der aus den Bergen‹. Ja, ja, ich bin nicht groß, höchstens innen, und ich komme von der Küste. Aber der nächste Berg ist nicht weit. Und hoch.«

    Antonio Dandolo entstammte eine der ältesten und wichtigsten Familien Venedigs, die vier Dogen hervorgebracht hatte, dazu zahlreiche Seefahrer, Krieger und große Händler. Einer seiner Urahnen war jener Enrico Dandolo, der während des Vierten Kreuzzugs für die Verwüstung von Konstantinopel gesorgt hatte. Außerhalb Venedigs waren viele Gelehrte immer noch davon überzeugt, daß sich die Kaiser des Ostens ohne diese Schwächung der Osmanen hätten erwehren können.
    »Das kannst du mir nicht vorwerfen«, sagte Antonio, als ich ihn darauf ansprach. »Weißt du denn, was deine Urahnen angerichtet haben? Rom verwüstet vielleicht?«
    »Meine Vorfahren haben Blech bearbeitet.«
    Er lachte laut. »Na, siehst du? Gutes Erz daran gehindert, anständiges Eisen zu werden; ist das denn besser?«
    Er war sechs oder sieben Jahre jünger als ich und hatte eigentlich für das Handelshaus seines Vaters nach Alexandria reisen sollen – in jene Stadt, die alle Gewürze aus den fernen Ländern Asiens umschlug und weiterverkaufte. Vor allem, oder fast ausschließlich, an die Venezianer. Aber dann beschlossen die Osmanen, die Geschäfte ohne venezianische Beteiligung abzuwickeln, und Antonio saß untätig in einem der edlen Häuser, trank, würfelte, verfaßte muntere Spottverse und hatte sich das Ziel gesetzt, in den nächsten zehn Jahren alle Kurtisanen Venedigs mindestens einmal zu naschen, wie er es nannte. Manchmal nannte er es auch anders.
    Sein Vater gehörte nicht dem angesehenen Hauptstamm der Dandolo-Familie an; vielleicht hatte er deshalb jene gewisse Eitelkeit entwickelt, die ihn dazu brachte, sich von der Druckerei Rinaldi eigenes Papier entwerfen zu lassen. Andere fanden, damit stelle er seine angemaßte Bedeutung zur Schau, was einen beklagenswerten Mangel an Vornehmheit und Zurückhaltung beweise. Und vielleicht war es dieser Mangel an Nobilität, der ihn dazu brachte, Handwerker und Kurtisanen zu seinem Fest zu laden.
    Der Palazzo lag an einem der kleineren Kanäle. Eine Brücke endete beinahe vor dem Portal, nur wenige Schritte vom Ufer

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