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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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die innere Ordnung der Republik zuständig bist, sondern auch für eure Spitzel überall.«
    Er spitzte die Lippen, als wolle er pfeifen. »Nicht ›zuständig‹, das wäre ein zu großes Wort. Sagen wir, ich bin ein wenig beteiligt.«
    »Dann sagen wir ferner, daß wir jetzt lange genug herumgeredet haben, o Unzuständiger. Was willst du von mir?«
    Bellini beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Die Heilige Allianz«, sagte er. »Der Kaiser, der Papst, die Johannesritter, Venedig. Arg unheilig, wenn du mich fragst, aber ... Dieses Jahr wird es zum blutigen Tanz der Schiffe und Schwerter kommen. Wir stellen Schiffe und Soldaten, und wahrscheinlich wird der Kaiser wieder den alten Genuesen mit dem Befehl betrauen.«
    »Andrea Doria? Ja, vermutlich. Und?«
    Bellini bleckte die Zähne. »Wir alle zusammen gegen die Türken, und keiner weiß, was die Franzosen hinter unserem Rücken anstellen werden.«
    Da er nicht weitersprach, sagte ich: »Willst du mich nach Frankreich schicken? Damit ich nette Zwiesprache mit François halte, der mir ohne Zweifel anvertrauen wird, was er zu tun beabsichtigt?«
    Er knurrte leise. »Unsinn«, sagte er dann. »Kurz und klar: Wir haben viele Stützpunkte verloren, an die Osmanen. Und in den letzten Monaten hat sich unter unseren Kundschaftern das große Schweigen ausgebreitet. Die Republik wird in einen Krieg ziehen müssen, ohne etwas über die Gegenseite zu wissen.«
    »Ah.« Ich überlegte einen Moment. »Willst du damit sagen, daß die Türken all eure Spione erwischt und geknebelt haben?«
    Er lachte, aber es klang nicht fröhlich. »Geknebelt? Man könnte es anders ausdrücken, aber lassen wir es dabei. In Ragusa sind noch ein paar Kaufleute, wie immer, aber sie erfahren nichts. Und natürlich gibt es verwegene Männer in dem Gebiet, das man Venezianisches Albanien nennt, aber jenseits davon?« Er schüttelte den Kopf. »Einige unserer Kundschafter haben die osmanischen Lande verlassen können; von den anderen wissen wir nichts.«
    Ich schloß die Augen. »Das heißt, die Türken haben eure Spione umgebracht. Und jetzt suchst du einen, der kein Venezianer ist, so daß man ihn nicht sofort für einen Spion hält. Und da hast du gedacht, Giacomo Spengler, dein alter Freund Jakko, heißt ja eigentlich Jakob und kommt aus einem vergessenen Flecken in Deutschland, und er könnte doch ein bißchen mit den türkischen Offizieren plaudern.« Ich öffnete die Augen wieder und schaute Bellini an. »So ungefähr?«
    Er lächelte, als hätte ich ihm ein paar besonders nette Worte gesagt. »Man könnte es so ausdrücken.«
    »Ihr müßt arg verzweifelt sein.«
    »Die Serenissima ist nicht verzweifelt. Sie ist nie verzweifelt. Sie zweifelt nur ein wenig.«
    »Sie haben euch die Hände abgehackt. Die Hände, die ihr in deren Angelegenheiten gesteckt hattet. Und jetzt willst du, daß ich mir den Kopf abhacken lasse?«
    »Du mußt das nicht so finster sehen. Ein kluger, erprobter, waffentüchtiger Mann, der vieles überstanden hat, könnte zweifellos durch die Schluchten des Balkan reiten und heil wieder zurückkommen.«
    »Vor allem, wenn er ein Deutscher ist, oder ein Finne, oder ein Isländer – alles, nur kein Venezianer?«
    Er nickte.
    »Nein.«
    Er nickte wieder. »Ich habe es mir gedacht, aber ich mußte es versuchen. Und ich wollte dafür sorgen, daß du im nächsten Jahr, wenn türkische Galeeren hier anlegen und die Janitscharen deine Kinder schlachten, nicht das Gefühl hast, du hättest beizeiten etwas tun können.«

    Laura kam von ihren Erledigungen zurück, als Bellini gerade aufbrach. Er verneigte sich vor ihr, und sie wechselten die gewöhnlichen höflichen Worte.
    »Was wollte der denn?« sagte sie, als er gegangen war.
    »Wein.«
    »Ich auch.« Sie lachte, holte sich einen Becher und ließ mich eingießen. »Nur Wein?« sagte sie dann.
    »Und Wahn.«
    Sie blinzelte. »Wein und Wahn? Welche Mischung. Magst du das erläutern?«
    »Es geht um den Krieg. Die Heilige Allianz, dies unheilige Bündnis gegen die Türken. Offenbar sind ihnen, ah, uns, den Venezianern, meine ich, die Kundschafter abhanden gekommen.«
    Sie schwieg einen Moment, trank, sah mich nachdenklich an. »Hat er wenigstens etwas geboten?«
    »So weit sind wir gar nicht gekommen. Er hat etwas vom Schutz der Republik gesagt und von Dankbarkeit. Warum fragst du? Brauchen wir Geld? Soll ich mich dafür bezahlen lassen, daß ich die Wasseruhr meines Lebens anbohre? Einen schnellen Tod in der Ferne

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