Das Lächeln der Kriegerin
sich auf. Ohne jemanden anzusehen, spürte sie, dass sich ihr die Eltern und Rochon zuwandten. »Ich werde reiten!« Nun schaute sie ihren Vater an.
Er erwiderte ihren Blick.
»Das ist zu gefährlich, Kind«, sagte Naneth.
Lothiel antwortete ihr nicht. Ihr Blick ruhte auf Adar.
»Und wir brauchen dich hier. Ich kann die Arbeit nicht allein bewältigen«, beharrte die Mutter. Der Vater schwieg.
»Mutter, Nana, zählt die Arbeit auf dem Hof mehr als die Rettung Laindors?«
Naneth senkte die Augen.
»Also lasst mich reiten, Vater.«
»Nein!«, widersprach Adar.
Lothiel spürte einen Stich im Herzen. Sie unterdrückte die Enttäuschung. Einen Augenblick zögerte sie, bevor sie fragte: »Hättet Ihr einen Sohn, würdet Ihr ihn reiten lassen?«
Naneth stieß einen überraschten Ruf aus. Auch Adar war sein Erstaunen deutlich anzusehen. Dann senkten sich seine Brauen wieder und einen Moment lang verharrte er in unbewegter Miene. »Ja, das würde ich.«
»So lasst mich diesen Sohn ersetzen und für ihn reiten.«
Wieder schwieg Adar.
»Sie hat recht, Adar«, sagte Naneth plötzlich. »Sie ist klug und geschickt mit dem Bogen. Sie wird auf sich aufpassen können. Und wenn es der einzige Weg ist, solltest du sie reiten lassen.«
Lothiel sah dankbar zu ihrer Mutter.
»Nein!«, erwiderte Adar. »Nein, das ist nicht nötig.«
Lothiel schaute ihn verwundert an. Vater lächelte. Und sie glaubte Stolz in seinen Augen zu sehen.
»Ich vertraue dir, Lothiel. Du wirst immer dein Bestes tun. Doch wir brauchen dich auf dem Hof.«
»Aber …«
»Du wirst die Botschaft an dich nehmen, jedoch reitest du nicht nach Arminas, sondern nach Waldruh. Du wirst die Leute des Dorfes warnen und es wird sich jemand finden, der die Botschaft weiterträgt. Vielleicht ist man dort längst alarmiert und es sind bereits Boten unterwegs. Vielleicht wirst du schon an der Oststraße umkehren können. Dann wissen wir, dass wir hoffen können. Doch ich bitte dich: Sei in jedem Fall vorsichtig!«
WALDRUH
Das Nötige war schnell zusammengepackt. Rochon übergab Lothiel neben einem Futterbeutel für das Pferd eine Tasche, die sie am Sattel befestigen konnte und in der sich die versiegelten Botschaften, eine für den Grafen, eine für die Königin, befanden. Außerdem enthielt sie Wegzehrung, eine Karte Ostlaindors, Feuersteine und einen Beutel mit Münzen. Sie hatte auf dem Markt ein wenig über den Wert des Geldes gelernt und war daher erstaunt, ausschließlich Caer vorzufinden, von denen jedes zehn Nod wert war.
Aufregender war für sie jedoch, auf Carroch, dem edlen Hengst des Boten, zu reiten. Rochon wollte ihr sogar sein Schwert geben, aber Lothiel hätte kaum etwas damit anzufangen gewusst. Sie würde sich auf ihren kleinen Jagdbogen und die Schleuder verlassen.
Rochon hielt zum Abschied ihre Hand und bedankte sich für ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
»Nana wird gut für Euch sorgen«, sagte Lothiel. Das Lob des Boten rührte sie.
Naneth brachte in ein Tuch eingewickelte Gerstenfladen, drückte Lothiel fest an sich und ermahnte sie ein weiteres Mal, vorsichtig zu sein.
Als sich Adar von ihr verabschiedete, sagte er: »Lass dein Messer hier und nimm dieses. Ich trug es in den Grenzkriegen. Es wird dir gute Dienste leisten.«
Noch kurz vor dem Mittag machte Lothiel sich auf den Weg. Sie ritt zunächst vorsichtig, denn der kräftige Hengst flößte ihr Respekt ein. Schnell merkte sie aber, dass Carroch gut zugeritten war und ihr willig folgte, als wisse er um die Bedeutung ihrer Aufgabe. Sie ließ ihn laufen und war erstaunt über das Gefühl von Kraft und Geschwindigkeit, das ihr der alte Tass nicht bieten konnte. So erreichte sie bald die Oststraße. Sie musste an den Kampf mit den Wegelagerern denken, der hier vor nur vier Tagen stattgefunden hatte. Schnell wandte sie sich nach links und konzentrierte sich nur auf den vor ihr liegenden Weg.
Einerseits war Lothiel froh, nur bis Waldruh reiten zu müssen. Sie rechnete damit, dass sie auf dem schnellen Carroch das Dorf noch am frühen Nachmittag erreichen könnte. So kam sie sicher bis zum Abend wieder nach Hause. Das war ihr Abenteuer genug. Auch könnte sie dann Rochon bald wiedersehen.
Aber sie spürte noch immer die Enttäuschung. Selbst in dieser verzweifelten Lage traute Adar ihr nicht zu, die Botschaft sicher nach Arminas zu bringen. Selbst jetzt konnte sie den Ansprüchen ihres Vaters nicht voll und ganz gerecht werden.
Die Straße war frei. Kein
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