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Das Lächeln der Kriegerin

Das Lächeln der Kriegerin

Titel: Das Lächeln der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pilipp Bobrowski
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das die Truppen des Feuermeisters? Hatte die Grenzfeste nicht mehr standgehalten? Drang das feindliche Heer bereits weiter in das Land ein?
    Mit Tränen in den Augen beobachtete Lothiel, wie die Gefangenen auf den Wagen gestoßen wurden. Einer der Treiber drehte sich um. Er trug eine Maske, die eine schrecklich verzerrte Grimasse zeigte.
    Lothiel unterdrückte den Aufschrei. Es stand noch viel schlimmer, als sie oder Rochon oder Adar befürchtet hatten. Die Grenzfeste war gefallen. Wenn dort noch jemand am Leben war, dann musste er sicher grausame Gefangenschaft und Folter erleiden. Und die Feinde machten sich schon jetzt daran, ganz Laindor dem gleichen Schicksal zu unterwerfen. Sie musste, so schnell es ging, zum Hof, um ihre Eltern zu warnen.
    Lothiel drehte sich um und erstarrte. Einer der Posten auf dem Hügel schaute in ihre Richtung. Auch er trug eine Schreckensmaske. Lothiel wagte nicht, sich zu bewegen. Konnte er sie zwischen den Bäumen erspähen? Sie fühlte sich hundeelend. Im nächsten Moment musste es um sie geschehen sein. Der Mann rief nicht nach ihr, kam nicht auf sie zu. Er schien sie nicht bemerkt zu haben. Sie kauer te sich hinter einen Stamm, verharrte dort und lauschte ihrem Zittern.
     
    Lothiel wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatte, bevor sie sich getraute, wieder nach dem Hügel zu schauen. Die Sonne stand schon tief und zwischen den Bäumen dämmer te es bereits. Die Posten aber waren noch gut zu erkennen. Beide schauten wieder zur Straße.
    Lothiel ging tiefer in Wald hinein, nur weg von dem Hügel. Erst als sie sich sicherer fühlte, wandte sie sich nach rechts, um zu Carroch zurückzugelangen. So brauchte sie eine ganze Weile, bis sie das Pferd erreichte. Sie umschlang den Hals des großen Tieres und drückte ihr Gesicht in das weiche Fell. »Gut, dass du da bist«, flüsterte sie, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und stieg auf.
    Wieder auf der Straße trieb sie Carroch zur Eile, doch es war schon spät. Schließlich musste sie sich etwas abseits einen Platz zum Schlafen suchen. Sie lag noch lange wach. Die Bilder aus Waldruh wollten sie nicht in Ruhe lassen und verfolgten sie auch in ihren unruhigen Schlaf.
     
    Die Flammen schlugen hoch. Ein Prasseln und Knacken. Der Geruch erinnerte sie an den großen Spieß auf dem Markt der Grenzfeste. Waren das Schreie, die von dem brennenden Fuhrwerk an ihr Ohr drangen? Sie sah wechselnde Gesichter in dem züngelnden Aufruhr. Cennans Bart brannte. Gilborns Sommersprossen glühten. Nanas traurige Augen riefen nach ihr. Lothiel schrie. Das Gesicht ihrer Mutter verschwamm. Doch es verschwand nicht.
    Lothiel hastete durch die Dunkelheit auf die Flammen zu, die grell aus dem schwarzen Nichts herausstachen. Aber die Entfernung blieb zu groß. Da war Adar, der versuchte, die Mutter vom Wagen zu ziehen. Längst hatte seine Kleidung Feuer gefangen. Lothiel würde zu spät kommen. Gab es keine Rettung?
    »Rochon!« Hoffnung keimte in ihr auf. »Rochon!« Sie lief weiter, während sie ihn rief. Da stand er, groß und kräf tig, in der Tür des Hauses. Lothiel wurde leichter ums Herz. Noch einmal rief sie ihn. Blutend brachen seine Wunden auf. Er sackte in sich zusammen. Lothiel fiel. Jemand packte sie an der Schulter, riss sie herum. Eine grauenvoll verzerrte Maske.
     
    Sie schreckte hoch. Nur langsam erfasste sie, wo sie war. Die ersten Sonnenstrahlen tasteten über die Baumwipfel.
    Lothiel sprang auf. »Es war nur ein böser Traum.« Hektisch band sie Carroch los. »Es war nur ein dummer Traum.« Schnell saß sie im Sattel. Sie konzentrierte sich auf den Weg und die nächtlichen Bilder verblassten.
    Noch musste sie nicht damit rechnen, Reisenden zu be gegnen. Würde ihr jedoch jemand entgegenkommen, könn te sie ihn vor dem Schrecklichen bewahren, das in Waldruh auf ihn lauerte. Bis zu dem kleinen Weg, der zu ihrem Hof führte, war es nicht mehr weit. Sie brannte darauf, ihren Eltern und Rochon alles zu berichten, was sie gesehen hat te, denn jetzt lag dieses Wissen wie eine schwere Last auf ihr.
    Als sie den Weg erreichte, fühlte sie sich etwas erleichtert. Was würde Adar, was Rochon von den Ereignissen halten? Es erschien ihr eindeutig: Das feindliche Heer bewegte sich auf der Oststraße vorwärts, um so zur Königsstadt vorzudringen. Mit der Grenzfeste hatte man eine sichere Zuflucht und die Oststraße war die direkteste Verbindung zu Laindors Hauptstadt. Ohne größere Städte oder weitere Festungen einnehmen zu müssen, konnte man

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