Das Lächeln der Kriegerin
Mensch schien unterwegs zu sein. Niemand kam ihr entgegen. Wenn die Grenzfeste belagert wurde, war das nicht überraschend. Aus Waldruh und den anderen Dörfern, die zwischen ihr und der Stadt lagen, würde kaum ein Bauer den Weg nach Arminas wählen.
Sie fühlte sich unwohl, so allein auf der Oststraße. Ir gendetwas beunruhigte sie. Sie zügelte Carroch. Zwar war Eile geboten, doch wem war geholfen, wenn sie aus fehlender Umsicht ihr Ziel gar nicht erst erreichte? Nun konnte sie kaum bis zum Abend zurück sein. Aber sicher war es vernünftiger, Carroch für den Rückweg zu schonen und nicht zu riskieren, dass er sich in den tiefen Fahrrillen der Straße verletzte. Dann würde sie sich Rochon nicht mehr unter die Augen trauen.
Der Weg nach Waldruh bot kaum Abwechslung. Sie ritt die meiste Zeit durch Mischwald, der sich nur selten lichtete. Es war im Grunde derselbe Wald, der auch die Lichtung umschloss, auf der Lothiel mit ihren Eltern lebte. Nördlich und südlich der Straße reichte er bis an die Grenzberge im Osten heran, wo er bei den Siedlungen der Menschen durch tiefe Einschnitte unterbrochen wurde.
Lothiel hatte nicht viel Sinn für ihre Umgebung. Gern hätte sie den Ritt auf diesem herrlichen Pferd genossen. Doch ihr schwirrten viele andere Gedanken durch den Kopf. Sie musste an Rochon denken. Daran, wie sie ihn gefunden hatte, an seine blutenden Wunden und an seinen Bericht vom Angriff auf die Grenzfeste. Wie es den Menschen dort jetzt wohl erging? Wie kam der gute Meister Cennan mit der Belagerung zurecht? Er hatte sicher nicht damit gerech net, auf seine alten Tage noch einmal einen Krieg miterleben zu müssen. Und was war mit Gilborn? Hoffentlich ging es ihm gut. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was ihm zustoßen konnte, wenn nicht bald Hilfe einträfe. Würde sie ihn, ihren ersten Freund, gleich wieder verlieren?
Plötzlich wurde Lothiels Aufmerksamkeit doch auf die Umgebung gelenkt. Es roch nach Feuer. Waldruh war jetzt ganz nah. Das Land senkte sich etwas, die Bäume traten an beiden Seiten der Straße, die sich hier nördlich um einen kleinen Hügel schlängelte, zurück. Das Dorf befand sich hinter dem Hügel in einer leichten Senke.
Der Geruch konnte viele Ursachen haben, aber Lothiel fiel noch etwas auf. Auf den ersten Feldern, die langsam in ihr Blickfeld rückten, war kein Mensch zu sehen. Es war kein Festtag und auch sonst wusste sie keinen Grund, warum Waldruhs Bauern heute ihrer Arbeit nicht nachkommen sollten. Wahrscheinlich hatte es nichts Bedrohliches zu bedeuten, doch Lothiel erinnerte sich der Ermahnungen ihrer Eltern. Noch war sie durch die Bäume vor fremden Blicken geschützt. Sie entschloss sich, die Straße zu verlassen, um so lange wie möglich im Schutz der Bäume zu bleiben, ritt rechts in den Wald hinein und näherte sich langsam dem Hügel und dem dahinter liegenden Dorf.
Der Hügel war nicht besonders hoch und nur zur Straße hin einigermaßen steil. Auf der anderen Seite, von der aus Lothiel sich jetzt näherte, fiel er sanft ab. Die Bauern bauten dort Wein an, doch war auch hier kein Dorfbewohner zu sehen.
Dann entdeckte sie ganz oben auf dem Hügel zwei Männer. Beide schienen bewaffnet zu sein und schauten in Richtung der Straße. Wie sie da standen, erinnerten sie Lothiel an irgendetwas. Richtig. So hatten die Wachen auf den Wehrgängen und Türmen der Grenzfeste die Umgebung gesichert. Allerdings trugen diese hier keine Rüstung in schwarzen und weißen Farben, sondern dunkle Kleidung, vermutlich aus Leder, mit roten Zeichen darauf. Was hatte das zu bedeuten? Lothiel musste einen Blick auf das Dorf werfen. Sie stieg ab, führte Carroch tiefer in den Wald und band ihn an einen Baum. »Ich bin gleich zurück«, beruhigte sie ihn.
Sie bewegte sich sehr vorsichtig und behielt dabei immer die beiden Männer im Auge, sodass sie eine ganze Weile brauchte, bis sie in die Senke spähen konnte. Jetzt sah sie, woher der Brandgeruch kam. Mitten im Dorf hatte man ein großes Feuer entzündet. Männer, ähnlich gekleidet wie die auf dem Hügel, speisten es mit verschiedenen Gegenständen, die sie aus den Häusern der Bauern holten. Andere brachten Dinge, die ihnen offensichtlich nützlich schienen, zu einem schon zur Hälfte beladenen Fuhrwerk. Am anderen Ende des Dorfes wartete ein weiterer Wagen. Zu ihrem Schrecken sah Lothiel, wie aus einem der Häuser Men schen getrieben wurden, die mit schweren Ketten aneinander ge fesselt waren.
Was hatte das alles zu bedeuten? Waren
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