Das Lächeln der Kriegerin
flüsterte sie Gilborn zu.
Jetzt war es totenstill auf der Straße und in den angrenzenden Gassen. Ungehindert kamen sie zu dem kleinen Tor, das seinerzeit Rochon und die anderen Boten genutzt hatten, um der Belagerung zu entkommen. Zwei Posten standen davor.
»Was jetzt?«, fragte Gilborn.
»Lass mich nur machen.« Lothiel warf den Umhang ab, nahm den Bogen von der Schulter und legte einen Pfeil auf die Sehne. Aus der Deckung heraus zielte sie und … Sie spürte, wie ihre Hände zitterten. Sie nahm den Bogen herunter und betrachtete die beiden Posten. Sie konnte nur einem die Chance geben, am Leben zu bleiben. Welchen sollte sie auswählen? Sie hob den Bogen wieder, spürte, dass ihre Augen feucht wurden. Dann schoss sie und der rechte der Männer wurde umgerissen. Ehe der andere ganz begriffen hatte, was geschehen war, lag der zweite Pfeil auf der Sehne. Lothiel trat vor und rief: »Öffnet das Tor!«
Der Mann begann, um Hilfe zu rufen. Der zweite Pfeil beendete sein Schreien. Einige Männer, die sich hier oben auf den Wehrgängen aufhielten, kamen gelaufen. Doch noch bevor Lothiel sie anvisieren konnte, stürzten sie in einem Pfeilhagel von der Mauer. Lothiel rief Gilborn und rannte zu dem schmalen Tor. Gemeinsam schoben sie den Riegel beiseite.
Der erste, der hereinritt, das Schwert hoch erhoben, war Selldur.
»Wo kommst du denn her?«, fragte Lothiel. Es war mehr Freude als Verwunderung.
»Du hast deinen Münzbeutel bei uns vergessen.«
»Das habe ich nicht. Ich …«
»Ich weiß.«
»Könnte der Herr vielleicht ein bisschen zur Seite treten?« Rochon führte Carroch mit sich.
Ihm folgten Magor und Ostwen. Istyar war hinter ihnen. Dann kam die Königin.
»Ihr … Ihr seid hier?«, stotterte Lothiel.
Die Königin schaute ihr mit strengem Blick in die Augen. »Du hast meinen Befehl missachtet. Es sieht so aus, als dürfe man dich nicht aus den Augen lassen. Also bin ich hier. Wir sollten uns bemühen, deinen Plan erfolgreich zu Ende zu bringen, damit ich bei der Strafe Milde walten lassen kann.« Sie lächelte. »Was erwartet uns?«
»Bis auf die Torwachen dürfte es hier oben kaum mehr Gegenwehr geben. Selbst Naurhir ritt mit seiner Leibwache zum Haupttor der Feste.«
Araniel wartete nicht, bis sich all ihre Männer durch das Tor gedrängt hatten. Sie gab nur ein paar kurze Befehle und als sich etwa drei Dutzend Reiter gesammelt hatten, brach sie mit ihnen zum Tor der inneren Feste auf, durch das man hinunter in die Stadt gelangte. Lothiel schickte Gilborn wieder in die Werkstatt. Er murrte ein wenig, aber er gehorchte. Dann schloss sie sich der Königin an.
Am Tor standen nur noch fünf Posten. Sie kamen nicht dazu, sich umzudrehen. Die Königin bezog Stellung auf der Hauptstraße und wartete, dass sich die nachrückenden Truppen in der Stadt verteilen konnten. Vom Haupttor her war der Schlachtenlärm zu hören.
Istyar beugte sich zu Lothiel. »Du unterziehst Araniel einer schweren Prüfung. Greift sie zu früh ein, ist der Feind noch nicht umzingelt. Doch jedes Warten bedeutet höhere Verluste am Tor und an den Außenmauern. Halten sich die Männer dort zu sehr zurück, könnte Naurhir die Falle durchschauen.«
Lothiel nickte betreten. Dort unten opferten sich tapfere Krieger, um ihren Plan zum Gelingen zu bringen.
Endlich gab die Königin das Signal zum Angriff. Von allen Enden der Stadt antworteten Hörner und das laindorische Heer marschierte auf das Haupttor zu. Der Ring innerhalb der Stadtmauern schloss sich.
Lothiel hielt sich zurück. Sie bemerkte, dass auch die Königin, bewacht von ihrer Garde, nicht in die Kämpfe eingriff. Es schien, als warte sie auf etwas.
Lothiel sah, wie die Männer auf den Wehrgängen, die das Tor und die Mauern verteidigen sollten, angesichts der neuen Situation in Verwirrung gerieten. Dies bot den Angreifern auf den beiden Belagerungstürmen und den Leitern die Möglichkeit, die Mauern zu erklettern und den überraschten Fremdländern in den Rücken zu fallen. Pfeilhagel aus allen Richtungen unterstützten sie dabei. Gleichmäßig erklang das Wummern des Rammbocks. Die Krieger auf dem Torplatz wurden von Norden, Süden und Osten angegriffen. Die laindorischen Kämpfer strebten vor allem dem Torhaus zu, um ihren Kameraden vor den Mauern den Zugang zur Stadt zu erleichtern. Trotz der heiseren Befehle der gegnerischen Führer brachten die Eingekesselten kaum mehr Widerstand auf.
Lothiel sah Magor und Rochon voranstürmen. Vor ihnen war nur
Weitere Kostenlose Bücher