Das Laecheln der Sterne
freien Stücken. Darauf können Sie stolz sein.«
»Es überrascht Sie nicht, dass die ganze Geschichte so verlaufen ist, stimmt’s?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Wussten Sie das heute Morgen schon? Als ich Ihnen davon erzählte?«
»Ich wusste es nicht mit Sicherheit, aber ich hatte eine Ahnung, dass es so laufen könnte.«
Ein kleines Lächeln huschte über Pauls Gesicht. »Sie sind erstaunlich, wissen Sie das?«
»Ist das gut oder schlecht?«
Er drückte ihre Hand und stellte fest, wie gut sie in seine passte. Sie fühlte sich so natürlich an, als würde er sie schon seit Jahren halten.
»Es ist wunderbar.«
Er wandte sich mit einem kleinen Lächeln zu ihr um, und Adrienne wurde sich bewusst, dass er im Begriff war, sie zu küssen. Obwohl sie sich insgeheim genau das wünschte, erinnerte ihr Verstand sie daran, dass sie vernünftig bleiben musste. Sie hatten sich erst am Tag zuvor kennen gelernt, und bald würde Paul wieder abfahren. Sie selbst auch. Außerdem war so etwas nicht ihr Stil. Dies entsprach nicht der richtigen Adrienne – der besorgten Mutter und Tochter oder der Ehefrau, die wegen einer anderen Frau verlassen worden war, oder der Aushilfskraft, die in der Bibliothek Bücher ins Regal stellte.
An diesem Wochenende war sie offenbar jemand anders. Sie erkannte sich selbst kaum wieder. Ihre Tage hier waren wie ein 100
Traum, und obwohl Träume angenehm sein konnten, so waren sie doch, ermahnte sie sich, nur Träume und nicht mehr.
Adrienne machte einen kleinen Schritt zurück. Als Paul ihre Hand freigab, sah sie das Aufflackern von Enttäuschung in seinen Augen, aber es verschwand sofort wieder, und er blickte zur Seite.
Sie lächelte und zwang sich, mit fester Stimme zu sprechen.
»Sind Sie immer noch bereit, mir mit dem Haus zu helfen?
Bevor das Wetter richtig schlimm wird, meine ich?«
»Sicher«, sagte Paul und nickte. »Ich zieh mir nur schnell etwas anderes an.«
»Lassen Sie sich Zeit. Ich muss noch zum Supermarkt, ich habe nämlich vergessen, Eis und eine Kühlbox zu kaufen, damit ich ein paar Lebensmittel frisch halten kann, falls der Strom ausfällt.«
»In Ordnung.«
Sie zögerte. »Bestimmt?«
»Alles bestens.«
Sie verharrte noch einen Moment, als wolle sie sich versichern, dass sie ihm glauben konnte, dann wandte sie sich ab. Ja, sagte sie sich, ich habe richtig gehandelt. Es war richtig gewesen, dass sie sich zurückgezogen hatte, es war richtig gewesen, dass sie seine Hand losgelassen hatte.
Und doch spürte sie, als sie zur Tür hinausging, ganz deutlich, dass sie sich damit wohl auch von der Möglichkeit abgewandt hatte, ein Stück von dem Glück zu finden, das in ihrem Leben so lange schon fehlte.
Paul war im Obergeschoss, als er hörte, wie Adrienne ihr Auto startete. Er ging zum Fenster, und während er beobachtete, wie sich die Wellen am Strand brachen, versuchte er zu verstehen, was eben passiert war. Vor ein paar Minuten, als er Adrienne ansah, war etwas Besonderes entstanden, das hatte er gespürt. Aber es war so schnell verschwunden, wie es gekommen war, und die Erklärung dafür lag in dem Ausdruck 101
auf ihrem Gesicht.
Er konnte Adriennes Zurückhaltung verstehen – sie lebten in einer reglementierten Welt, in der nicht immer Raum für Spontaneität war, für den impulsiven Wunsch, ganz in dem jeweiligen Moment zu leben. Paul wusste, dass das Leben nur so in geordneten Bahnen verlaufen konnte, doch in den letzten Monaten hatte er mit seinem Handeln versucht, diese Grenzen aufzuheben und die Ordnung, der er sich so lange gefügt hatte, zu durchbrechen.
Es war nicht fair, wenn er Ähnliches von ihr erwartete. Sie befand sich in einer anderen Lebensphase. Sie trug Verantwortung für andere Menschen, und diese
Verantwortung, das hatte sie ihm gestern klargemacht, erforderte Stabilität und Zuverlässigkeit. Früher war er auch in dieser Lage gewesen – jetzt konnte er nach anderen Regeln leben. Doch für Adrienne, das verstand er, bestand diese Möglichkeit nicht.
Trotzdem hatte sich in der kurzen Zeit, die er hier war, etwas verändert.
Er wusste nicht genau, wann das geschehen war. Vielleicht am Abend zuvor, als sie am Strand spazieren gegangen waren, oder später, als Adrienne ihm von ihrem Vater erzählt hatte, oder an diesem Morgen, als sie zusammen gefrühstückt hatten.
Oder vielleicht auch, als er ihre Hand hielt und nahe bei ihr stand und der drängende Wunsch in ihm aufkam, seine Lippen sanft auf ihre zu legen.
Das Wann war nicht
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