Das Laecheln der Sterne
Paul zu spüren, dass Adrienne ihn jetzt schon besser kannte als die meisten anderen Menschen.
Oder vielleicht sogar besser als irgendjemand sonst.
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ZEHN
N ach dem Frühstück setzte sich Paul in sein Auto und kramte die Schlüssel aus der Hosentasche. Adrienne winkte ihm von der Veranda aus nach, als wollte sie ihm Glück wünschen. Paul guckte über die Schulter nach hinten und setzte rückwärts aus der Einfahrt.
In wenigen Minuten hatte er die Straße, in der Torrelson wohnte, erreicht. Er hätte auch zu Fuß gehen können, aber er wusste nicht, wie schnell das Wetter sich verschlechtern würde, und wollte nicht vom Regen überrascht werden. Außerdem war ihm unbehaglich bei dem Gedanken, dass er, falls das Gespräch schlecht verlief, nicht wegfahren konnte. Ihm war nicht ganz klar, was er zu erwarten hatte, aber er beschloss, Torrelson alles, was mit der Operation zu tun hatte, zu erzählen, sich jedoch jeglicher Mutmaßungen, worin die Todesursache gelegen haben könnte, zu enthalten.
Paul hielt am Straßenrand und stellte den Motor ab.
Nachdem er sich einen Moment lang gesammelt hatte, stieg er aus und ging zu dem Haus. Auf dem Nachbargrundstück stand ein Mann auf einer Leiter und hämmerte Sperrholzlatten über ein Fenster. Er sah misstrauisch zu Paul herunter. Paul beachtete ihn nicht, sondern klopfte an Torrelsons Tür und trat einen Schritt zurück.
Als nicht geöffnet wurde, klopfte er erneut und lauschte, ob er im Haus Geräusche hörte. Nichts. Er ging auf der Veranda seitlich um das Haus herum. Die Türen zu dem Schuppen standen zwar immer noch offen, aber Paul konnte niemanden sehen. Er überlegte, ob er rufen solle, entschied sich aber dagegen. Er ging wieder zu seinem Wagen und öffnete den Kofferraum. Aus dem Verbandskasten nahm er einen Kugelschreiber und ein Notizbuch, aus dem er ein Blatt herausriss.
Er schrieb seinen Namen und die Adresse der Pension auf 95
und die kurze Mitteilung, dass er noch bis Dienstagmorgen im Ort sei, falls Robert ihn sprechen wolle. Dann faltete er das Papier, ging damit zur Haustür und klemmte es so im Türrahmen fest, dass es nicht wegwehen konnte. Als er, enttäuscht und erleichtert zugleich, zu seinem Wagen zurückging, hörte er hinter sich eine Stimme.
»Kann ich etwas für Sie tun?«
Paul drehte sich um. Vor dem Haus stand ein Mann, den er nicht kannte. Er konnte sich zwar nicht genau erinnern, wie Robert Torrelson aussah, aber er wusste, dass er diesen Mann noch nie gesehen hatte. Er war noch jung, ungefähr Mitte dreißig, hager mit schwarzem, schütterem Haar, und trug ein Sweatshirt und Arbeitsjeans. Er starrte Paul mit der gleichen Feindseligkeit an, mit der ihn schon der Nachbar gemustert hatte.
Paul räusperte sich. »Ja«, sagte er, »ich möchte zu Robert Torrelson. Bin ich hier richtig?«
Der junge Mann nickte, ohne eine Miene zu verziehen. »Ja, der wohnt hier. Das ist mein Dad.«
»Ist er zu Hause?«
»Sind Sie von der Bank?«
Paul schüttelte den Kopf. »Nein. Mein Name ist Paul Flanner.«
Es dauerte einen Moment, bis der junge Mann den Namen einordnen konnte. Seine Augen verengten sich.
»Der Arzt?«
Paul nickte. »Ihr Vater hat mir einen Brief geschickt und gesagt, er wolle mit mir sprechen.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht.«
»Er hat mir nichts von einem Brief erzählt.« Während der junge Mann sprach, spannten sich seine Kiefermuskeln an.
»Würden Sie ihm sagen, dass ich hier bin?«
Der junge Mann steckte seine Daumen durch die
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Gürtelschlaufen. »Er ist nicht zu Hause.«
Er warf einen raschen Blick auf das Haus, und Paul war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit sagte.
»Würden Sie ihm bitte ausrichten, dass ich hier war? Ich habe einen Zettel an die Tür gesteckt, auf dem steht, wo er mich finden kann.«
»Er will nicht mit Ihnen reden.«
Paul senkte kurz den Blick und sah dann wieder auf.
»Ich glaube, das sollte Ihr Vater selbst entscheiden, meinen Sie nicht?«, sagte er.
»Für wen halten Sie sich eigentlich? Sie glauben wohl, Sie können hier aufkreuzen und sich mit irgendwelchen Entschuldigungen aus der Sache rausziehen, wie? Als ob das Ganze einfach ein Fehler war, oder so?«
Paul sagte nichts. Der junge Mann spürte sein Zögern und machte einen Schritt auf ihn zu. Als er weitersprach, wurde seine Stimme schriller.
»Machen Sie, dass Sie von hier wegkommen! Ich will Sie hier nicht sehen und mein Dad auch nicht!«
»Ist gut ... in Ordnung ...«
Der junge Mann griff nach einer Schaufel,
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