Das Lächeln des Cicero
bemerken, oder wenn
doch, wird man mir den Lapsus meiner Jugend und Unerfahrenheit
wegen nachsehen.«
Es gab ein weiteres
Stühlerücken. Erucius blickte von seinen Nägeln auf,
rümpfte die Nase und starrte in die Ferne, als habe er am
Himmel soeben eine alarmierende Rauchwolke ausgemacht.
»Wie ihr seht,
bin ich nicht vor allen anderen ausgewählt worden, weil ich
mit dem größten Geschick sprechen könnte.«
Cicero lächelte, als wolle er die Menge um Nachsicht bitten.
»Nein, ich war einfach der einzige, der übrig geblieben
war, als alle anderen verzichtet hatten. Ich war derjenige, der mit
dem geringsten Risiko reden konnte. Niemand kann behaupten,
daß ich ausgewählt wurde, damit Sextus Roscius die
bestmögliche Verteidigung erhielt. Die Wahl fiel schlicht
deshalb auf mich, damit er überhaupt eine Verteidigung
bekam.
Vielleicht fragt ihr:
Welcher Druck von außen und welche mächtige Angst
schrecken die besten Anwälte ab, so daß die Verteidigung
von Sextus Roscius’ Leben einem ausgesprochenen Anfänger
überlassen bleibt? Wenn man Erucius reden hört, sollte
man meinen, daß überhaupt keine Gefahr besteht, da er es
absichtsvoll vermieden hat, seinen wahren Auftraggeber zu benennen
oder die bösartigen Motive zu erwähnen, die jene
geheimnisvolle Person veranlaßt haben, meinem Mandanten
überhaupt den Prozeß zu machen.
Wer ist diese Person?
Was sind ihre Motive? Laßt mich erklären.
Der Besitz des
verstorbenen, ermordeten Sextus Roscius -der normalerweise jetzt
der Besitz seines Sohnes und Erben sein sollte - umfaßt
Güter und Eigentum im Gesamtwert von mehr als sechs Millionen
Sesterzen. Sechs Millionen Sesterzen! Das ist ein
beträchtliches Vermögen, das im Laufe eines langen und
arbeitsreichen Lebens angehäuft wurde. Trotzdem wurde der
gesamte Nachlaß von einem gewissen jungen Mann, vermutlich
auf der Auktion, für die erstaunliche Summe von zweitausend
Sesterzen aufgekauft. Ein recht gutes Geschäft. Der
preisbewußte junge Käufer war Lucius Cornelius
Chrysogonus - wie ich sehe, ruft die bloße Erwähnung
seines Namens allgemeine Unruhe hervor, und warum auch nicht? Er
ist ein außergewöhnlich mächtiger Mann. Nomineller
Verkäufer des Besitzes, der die Interessen des Staates
vertrat, war der tapfere und berühmte Lucius Sulla, dessen
Name ich mit allem gebührenden Respekt
erwähne.«
In diesem Moment wurde
ein leises Zischen auf dem Platz hörbar, wie Sprühregen
auf heißem Pflaster, als die Anwesenden sich einander
zuwandten und hinter vorgehaltener Hand flüsterten. Capito
packte Glaucias Schulter und krächzte ihm etwas ins Ohr. Um
mich herum verschränkten die Adeligen auf der Tribüne
ihre Arme und tauschten grimmige Blicke. Zwei ältere Metelli
zu meiner Rechten nickten sich erwartungsvoll zu. Gaius Erucius,
dessen plumpe Wangen bei der Erwähnung von Chrysogonus’
Namen dunkelrot angelaufen waren, packte einen jungen Sklaven beim
Hals, bellte ihm einen Befehl ins Ohr, worauf jener eilends den
Platz
verließ.
»Ich will ganz
offen sein. Es war Chrysogonus, der die Anklage gegen meinen
Mandanten inszeniert hat. Ohne jegliche gesetzliche Grundlage hat
er sich den Besitz eines unschuldigen Mannes angeeignet. Doch
solange der rechtmäßige Besitzer noch lebte und atmete,
sah er sich im ungetrübten Genuß dieses Vermögens
beeinträchtigt. Deshalb bittet er euch, werte Richter, ihn von
dem Stachel dieser Furcht zu befreien, indem ihr meinen Mandanten
aus dem Weg räumt. Erst dann kann er hoffen, das Vermögen
des verstorbenen Sextus Roscius in Schwelgerei zu verschleudern und
zu verprassen.
Scheint euch das recht
und billig, ihr Richter? Ist es anständig? Ist es gerecht?
Laßt mich meine Gegenforderung stellen, die, wie ich glaube,
bescheidener und vernünftiger ist.
Erstens: Sorgt
dafür, daß der Schurke Chrysogonus sich mit unserem Hab
und Gut zufriedengibt. Sorgt dafür, daß er uns nicht
auch noch an den Kragen geht!«
Cicero hatte begonnen,
auf der Rednertribüne auf und ab zu laufen, wie er es in
seinem Arbeitszimmer zu tun pflegte. Jede Unsicherheit war aus
seiner Stimme gewichen, die kräftiger und aufrüttelnder
klang, als ich sie je gehört hatte.
»Zweitens, werte
Richter, bitte ich euch: Widersetzt euch diesem verbrecherischen
Plan verwegener Gesellen. Öffnet eure Augen und Herzen dem
Flehen eines unschuldigen Opfers. Rettet uns alle vor einer
schrecklichen Gefahr, denn die Bedrohung, die in diesem
Prozeß über Sextus Roscius schwebt, schwebt
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