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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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den Vettern - das heißt, bis Sextus Roscius
sich selbst verriet. Zunächst wurde entdeckt, daß er
verschiedene Gegenstände des Besitzes zurückgehalten
hatte, der rechtmäßig vom Staat konfisziert worden war -
mit anderen Worten, daß er nicht besser war als ein gemeiner
Dieb, der dem römischen Volk stiehlt, was ihm nach Gesetz und
Recht gehört. (Ah, werte Richter, der Vorwurf des Betrugs ruft
bei euch nur ein müdes Gähnen hervor, und mit Recht -
denn was ist das schon im Vergleich zu seinem viel
größeren Verbrechen?) Als Magnus und Capito ihn
aufforderten, diese Dinge herauszugeben, bedrohte er ihr Leben.
Nun, wenn er nüchtern gewesen wäre, hätte er seine
Zunge wahrscheinlich im Zaum gehalten. Aber seit dem Tod seines
Vaters hatte er mit dem Trinken angefangen - wie man das oft von
Schuldigen hört. Für-wahr, zu all seinen anderen Lastern
war jetzt auch noch die Trunksucht gekommen, und Sextus Roscius war
kaum je nüchtern. Er wurde unerträglich beleidigend und
ging sogar soweit, Drohungen gegen seinen Gastgeber
auszustoßen. Er drohte tatsächlich, sie umzubringen -
und indem er ihr Leben bedrohte, gestand er versehentlich auch den
Mord an seinem
Vater.      
    Weil er um sein
eigenes Leben fürchtete und weil es seine Pflicht war,
beschloß Magnus, Anzeige gegen diesen Mann zu erstatten. In
der Zwischenzeit konnte Roscius entkommen und nach Rom
flüchten, zurück zum Tatort seines Verbrechens; aber das
Auge des Gesetzes erblickte ihn auch im Herzen Roms, und selbst in
einer Stadt von einer Million Menschen konnte er sich nicht
verstecken.
    Sextus Roscius wurde
aufgespürt. Normalerweise gibt man einem römischen
Bürger, ungeachtet welch verabscheuungswürdigen
Verbrechens er auch angeklagt sein mag, die Möglichkeit, seine
Bürgerrechte niederzulegen und ins Exil zu fliehen, anstatt
sich einem Prozeß zu stellen, wenn das seine Wahl ist. Aber
das Verbrechen, das dieser Mann begangen hat, war so schwer,
daß man ihn unter Arrest stellte, damit er seinem
Prozeß und seiner Bestrafung nicht entgehen konnte. Und
warum? Weil das Verbrechen, das er begangen hat, weit über das
Vergehen eines Sterblichen gegen einen anderen hinausgeht. Es ist
ein Schlag gegen die Grundfesten dieser Republik und die
Prinzipien, die sie groß gemacht haben. Es ist ein Anschlag
auf den Vorrang der Vaterschaft. Es ist eine Beleidigung der
Götter selbst, und vor allem eine Beleidigung Jupiters, des
Vaters aller Götter.
    Nein, der Staat kann
nicht das geringste Risiko eingehen, daß ein solch
abscheulicher Verbrecher flieht, genausowenig wie ihr, werte
Richter, das Risiko eingehen könnt, ihn unbestraft zu lassen.
Denn wenn ihr das tut, bedenkt die Strafe der Götter, die
diesen Staat mit Sicherheit heimsuchen wird, um unser Versagen zu
ahnden, ein derartiges Scheusal vom Antlitz der Erde zu tilgen.
Denkt an die Städte, deren Straßen von Blut
überflutet waren oder deren Bevölkerung elend an Hunger
und Durst zugrunde gegangen ist, weil sie törichterweise einem
gottlosen Mann Schutz vor dem Zorn der Götter gewährt
haben. Ihr dürft nicht zulassen, daß dasselbe in Rom
geschieht.«
    Erucius machte eine
Pause, um sich die Stirn abzuwischen. Alle Augen auf dem Platz
waren mit geradezu traumwandlerischer Konzentration auf ihn
gerichtet. Cicero und seine Anwaltskollegen rollten nicht mehr mit
den Augen oder spotteten hinter vorgehaltener Hand über
Erucius; sie sahen vielmehr recht besorgt aus. Sextus Roscius war
zu Stein erstarrt.
    Erucius faßte
zusammen. »Ich habe von dem Frevel gegen den göttlichen
Jupiter gesprochen, den dieser Mann durch sein unsagbar
abscheuliches Verbrechen verübt hat. Es ist auch, wenn ihr mir
diese kleine Abschweifung erlaubt, ein Frevel gegen den Vater
unserer wiederhergestellten Republik!« An dieser Stelle
breitete Erucius mit großer Geste die Arme aus, als wolle er
das Reiterstandbild Sullas anflehen, der ihm, so wirkte es von
meinem Platz aus, ein herablassendes Lächeln gönnte.
»Ich muß seinen Namen nicht aussprechen, weil sein Auge
hier und jetzt auf uns allen ruht. Ja, sein wachsamer Blick liegt
auf allem, was wir an diesem Ort tun in unserer
pflichtgemäßen Rolle als Bürger, Richter,
Anwälte und Ankläger. Lucius Cornelius Sulla, der ewig
Glückliche, hat die Gerichtsbarkeit wiederhergestellt. Sulla
hat die Fackel der römischen Justiz nach so vielen Jahren der
Dunkelheit neu entzündet; es ist an uns, dafür zu sorgen,
daß Übeltäter wie dieser Mann von ihrer Flamme

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