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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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heraus, dass Ilmenstett nur der eine Haken bei ihrer Erbschaft sei, der zweite würde ein längeres Gespräch erfordern.
    Komm doch heute Abend, wenn die Kinder schlafen.
     
    Klar geht das, sagte Adam, nachdem er sich am Abend den ungefähren Zustand des Hauses angehört hatte, und leider hatte Fritzi zu ihrem Haus nicht die erhebliche Menge Geld dazu geerbt, die sie hineinstecken müsste, bevor sie die Praxis dort eröffnen konnte.
    Fritzi war ihr Leben lang beinah so drinnen gewesen wie ich, bevor ich Adam kennengelernt und mir gedämmert hatte, dass es drinnen und draußen überhaupt gibt; sie war genauso wie ich darauf vorbereitet worden, dass alles mehr oder weniger geradeaus gehen würde, eher mehr als weniger, Abitur, Studium, Beruf oder Heirat und Kinder, und wenn Fritzi auch nur einen Teil des Geldes gehabt hätte, das sie in ihr Haus hätte hineinstecken müssen, wäre es in ihrem Fall wahrscheinlich auch so gekommen: Kostenvoranschlag, Unterschrift, Kreditantrag, Baubeginn; und mit der Verzögerung, die man selbst dann einrechnen muss, wenn das Leben geradeaus geht, hätte sie in einem halben Jahr in Ilmenstett ihre Praxis eröffnen können, wir hätten uns zum zweiten Mal aus den Augen verloren, weil Ilmenstett eine belanglose Kleinstadt jottwehdeh ist, und natürlich hätten wir niemals solche Leute wie die Özyilmaz oder den Bauern Holzapfel kennengelernt, auf dessen Streuobstwiese unsere Zukunft lag; aber an diesem Abend machte Adam mit zauberischer Selbstverständlichkeit den entscheidenden Schritt in Richtung auf diese Streuobstwiese.
    Er sagte, lasst uns das doch mal durchrechnen.
    Abenteuerlich, sagte Fritzi, nachdem er ihr auf ein paar Seiten etwas zusammengekritzelt hatte, das alles andere als ein Kostenvoranschlag war.
    Klar, sagte Adam, aber lässt sich machen.
    Fritzi wusste nicht, ob es machbar wäre, was Adam ihr da skizziert hatte.
    Das Leben gibt’s nicht nach Maß, sagte Adam, und dann setzte er feierlich nach: Lass uns das Ding drehen, lass uns über Los gehen.
    Fritzi sah ihn an, als wäre er nicht ganz dicht.
    Ton Steine Scherben, sagte ich, um sie zu beruhigen.
    Ich war inzwischen schon etwas daran gewöhnt, dass es das Leben mit Adam nicht nach Maß gab und dass er gelegentlich Dinger drehte, und ich sah, wie Fritzi sich nicht entscheiden konnte, ob das ein verlockendes Abenteuer oder ein beunruhigendes war, was Adam ihr eben vorgerechnet hatte; man konnte ihr dabei zusehen, wie sie schwankte.
     
    In den Achtzigerjahren schwankten viele hin und her, wenn sie aus den Siebzigerjahren und direkt von der Uni in der Welt ankamen, die damals überhaupt kein Abenteuer war, weder verlockend noch beunruhigend, sondern eine einzige Schlaftablette mit dick buntem Zuckerguss drum herum. Adam hat vermutlich recht, wenn er sagt, in den Achtzigern fing die Verdummung an, das gesamte Einheitsbreiprogramm, und eigentlich verlangte die Welt nichts weiter von einem, als dass man sie runterschluckte, eine Schlaftablette jeden Tag, und dann ziemlich schnell zugedröhnt war und anfing zu vergessen, was man Ende der Siebzigerjahre gewusst hatte und wovon alle heute staunen, dass es so ist, weil sie vergessen haben, dass sie selber schon in den Siebzigerjahren gewusst hatten, wie es kommen würde. Roundup Ready. Tote Erde, Speisung der Assis, Alten und Armen an den barmherzigen Tafeln.
    Zehn Jahre Schlaftabletten, sagt Adam, danach bist du schon ziemlich jenseits, und in den Neunzigerjahren, als man allmählich hätte aufwachen und sich die Augen reiben können, fing ziemlich zügig der Spaß an, der Kick, der Fun, das elende Tittytainment-Programm, und damit war der Zug dann natürlich abgefahren.
     
    Fritzi überlegte eine ganze Weile, ob sie das Leben nach Maß, mit tadellosem Finanzierungsplan, Geld von der Bank, Zinsen, zahlbar auf dreißig Jahre, oder lieber abenteuerlich haben wollte, verlockend oder beunruhigend oder beides, egal.
    Während sie innerlich schwankte, legte Adam Die Ärzte auf, und spätestens bei Mysteryland fingen wir an, von einem Leben jottwehdeh in Ilmenstett zu träumen.
    Wer feige ist, hat Mut. Nur was billig scheint, ist gut.
     
    Die Ärzte waren damals mit ein paar ihrer Songs auf den Index gekommen, es ging ihnen gerade ziemlich dreckig, und deshalb hatte Adam sich ihre LPs gekauft, die Ton Steine Scherben und ein paar andere Gruppen hatte er sich allmählich auf dem Flohmarkt zusammengestoppelt.
    Als ich ihn kennenlernte, hatte er außer einer alten Kinderlieder-LP von

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