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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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stapelten sich die Balken und Paletten mit Ziegeln und Steinen. Sehr bald lernten wir den Bauern Holzapfel kennen, der einmal quer über die große Streuobstwiese hinter Fritzis Haus seinen Hof hatte. Den Hof, die Stallungen und die Scheunen. Auf der Streuobstwiese gab es ein paar Schafe, sechs Ziegen und einen sehr eindrucksvollen Bock.
    Nachdem Adam sich die Strom- und Wasserleitungen in Fritzis Haus angesehen hatte, sagte er, tut mir leid, aber dabei kann ich Anatol nicht gebrauchen. Er nahm ihn auf den Arm, zeigte ihm durchs Fenster die Tiere, und dann sagte er, also ab mit euch nach draußen, und wir gingen zur Wiese und zu den Schafen und Ziegen.
    Wenn Adam Anatol gebrauchen konnte, begleitete ich Fritzi dabei, wie sie Ilmenstett sondierte, das bislang ohne ihren psychotherapeutischen und meinen logopädischen Beistand hatte auskommen müssen, aber meistens machte sie die Tour allein, Apotheken, Praxen, Krankenhaus und Schulen, weil ich Adam zur Hand gehen oder Anatol davon abhalten musste, ihm seinerseits bei etwas Gefährlichem zur Hand zu gehen. Die Wiese und der Wald dahinter rochen nach Herbst, nach feuchter Erde, nach Tieren, Blättern und Moos.
    Riecht ihr das, sagte ich, wenn ich mit Magali und Anatol zu den Tieren ging oder loszog, um etwas zu kaufen, was Adam für die Baustelle dringend brauchte.
    Eigentlich brauchte er immer Klebeband.
    Da seid ihr ja endlich, ihr drei gelben Kapuzen, sagte Adam, wenn wir zurückkamen.
    Wie das riecht, sagte ich manchmal.
    Ich will gar nicht wissen, was die Klebebandhersteller an uns verdienen, sagte Adam oft.
    Als ihm eines Tages der Sechserbohrer abbrach, sagte er, ich wollte sowieso eine Pause machen, und so packten wir die Kinder ein, und er ging mit seinen drei gelben Kapuzen zu der herbstlich duftenden Wiese. Anatol und Magali begrüßten die Ziegen, die inzwischen schon so zutraulich geworden waren, dass Anatol sie streicheln konnte, und irgendwann sagte Adam, lass uns doch mal rübergehen zum Hof, ist schließlich unser Nachbar; kann man doch mal Guten Tag sagen. Hat ja vielleicht einen Sechserbohrer.
    Es fisselte, und bis wir auf den Hof kamen, regnete es richtig.
    Der Bauer Holzapfel hatte einen Gummihut auf und bastelte an einem Trecker. Scheißwetter, sagte er, als er uns sah.
    Anatol wurde an Adams Hand zappelig und fing aufgeregt an zu plappern, und nach einer Weile begriff ich, dass unser Sohn soeben seinerseits in Mysteryland angekommen war, einem Paradies aus mehreren Generationen Traktoren, einem Mähdrescher, dem Nachkriegsdefender der allerersten Generation, mit dem Holzapfel durch die Gegend fuhr, einer uralten Pferdekutsche und einem überquellenden Durcheinander von mehr oder weniger rostigen Apparaten und Gerätschaften, die Anatol auf der Stelle erkunden musste, weil das hier etwas anderes war als die bunten Busse, Kräne oder Doppeldecker, die er aus der Stadtbücherei kannte und die brav und ordentlich brumbrum oder tatütata machten. Der LP 813 mit dem abgebrochenen Mercedesstern, der hier auf dem Hof stand, hatte nur noch Reste roter Lackspuren an sich, und wenn er überhaupt noch einen Piep von sich geben würde, klänge der sicher wüst und gefährlich.
     
    Unser Nachbar war vielleicht Ende fünfzig, Anfang sechzig, er kam uns langsam durch den Regen entgegen und streckte uns eine schwarze Hand entgegen, die er vorher an seiner Arbeitshose abgewischt hatte, aber schwarz war sie danach immer noch, und der ganze Mann roch nach Getriebeöl.
    Später saßen wir in seiner Küche und tranken Kaffee, während Anatol draußen herumkletterte und der Bauer Holzapfel sich auf die Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen machte.
    Klar hätte ich einen Sechserbohrer, hatte er gesagt, als Adam gesagt hatte, dass seiner abgebrochen war, dann hatte er mit großer Geste auf seine Küche gezeigt, in der alle möglichen Dinge herumlagen, von denen ich nicht gedacht hätte, dass sie in eine Küche gehörten, von manchen Dingen wusste ich nicht einmal, was es war.
    Klar hätte ich einen Sechserbohrer, fragt sich bloß, wo.
    Irgendwie kommt mir das Durcheinander bekannt vor, sagte Adam.
    Ich beobachtete durchs Fenster, wie Anatol im strömenden Regen das Paradies in Beschlag nahm, und der Bauer Holzapfel seufzte.
    Ich werde den Hof wohl verkaufen müssen, sagte er.
    Na, na, sagte Adam, mal nicht.
    Während seiner Suche nach dem vermaledeiten Sechserbohrer erfuhren wir in Bruchstücken alles Nötige über unseren Nachbarn: die Frau schon drei Jahre tot, mit

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