Der Teufel trägt Prada
1
Die Ampel am Broadway war noch gar nicht richtig auf Grün umgesprungen, da raste auch schon ein ganzes Rudel gelber Taxis an mir vorbei, während ich in der kleinen Todesfalle, die ich quer durch New York zu kutschieren hatte, die rechte Spur blockierte. Kupplung treten, Gas geben, schalten (vom Leerlauf in den Ersten? Oder vom Ersten in den Zweiten?), Kupplung kommen lassen . Wie ein Mantra betete ich mir diese goldene Regel immer und immer wieder vor, doch im hektisch-chaotischen Mittagsverkehr half sie mir leider auch nicht viel weiter. Zweimal bäumte sich meine Blechkiste wie ein wilder Mustang auf, um anschließend wie ein lahmes Kaninchen über die Kreuzung zu hoppeln. Mein Herz klopfte wie verrückt. Bis das Gehopse aufhörte, und ich in Fahrt kam. Mächtig in Fahrt. War ich tatsächlich noch im zweiten Gang? Ich warf einen Blick auf den Schalthebel – einen Blick zu viel. Als ich wieder auf die Straße sah, war ich so gefährlich dicht auf ein Taxi aufgefahren, dass mir nichts anderes übrig blieb, als voll in die Eisen zu steigen – und mir dabei den Absatz abzubrechen. Mist! Schon wieder ein Paar 700-Dollar-Schuhe im Eimer, ein Opfer meiner Ungeschicktheit – zum dritten Mal in diesem Monat. Ich war fast erleichtert, dass ich bei meinem halsbrecherischen Bremsmanöver den Motor abgewürgt hatte (anscheinend hätte ich die Kupplung treten müssen). So hatte ich wenigstens ein paar Sekunden Zeit, um mir, umtost von wütendem Gehupe und wüstem Gefluche, die Manolos auszuziehen und auf den Beifahrersitz zu pfeffern. Und wo sollte ich mir die schweißnassen Hände abwischen? Da blieb nur meine Gucci-Hose,
die so knalleng am Körper saß, dass sie mir das Blut abschnürte. Mich hineinzuzwängen und sie auch noch bis oben hin zuzuknöpfen, war das reinste Kunststück gewesen. Meine Finger hinterließen hässliche Streifen auf dem samtweichen Wildleder. Ich brauchte unbedingt eine Zigarette, sonst würde ich es niemals schaffen, dieses 84 000- Dollar-Cabrio heil durch den Hindernisparcours der Straßen Manhattans zu manövrieren.
»Nun fahr schon, Alte!«, brüllte ein unappetitlicher Autofahrer im Feinrippunterhemd, aus dem höchst dekorativ die Brusthaare hervorquollen. »Was glaubst du eigentlich, wo du bist? In der Fahrschule? Aus dem Weg.«
Mit zitternder Hand zeigte ich ihm den Stinkefinger und erledigte erst mal die dringendste aller anstehenden Aufgaben: Mir möglichst schnell eine Fluppe anzustecken. Meine Hände waren schon wieder klitschnass, was ich besonders gut daran feststellen konnte, dass mir die Streichhölzer aus den Fingern flutschten. Als ich gerade – endlich – den ersten Zug nehmen wollte, sprang die Ampel wieder auf Grün um. Die Zigarette zwischen den Lippen und vom Tabaksqualm umwölkt, widmete ich mich erneut der Kunst des Anfahrens: Kupplung treten, Gas geben, schalten (vom Leerlauf in den Ersten? Oder vom Ersten in den Zweiten?), Kupplung kommen lassen . Es dauerte noch einmal drei Straßenblocks, bis der Wagen so gleichmäßig lief, dass ich es wagen konnte, die Zigarette wieder aus dem Mund zu nehmen, aber da war es schon zu spät. Die Asche war heruntergefallen und direkt neben dem Schweißfleck auf der Hose gelandet. Wahnsinn. Bevor ich mir richtig darüber klar werden konnte, dass ich – die Manolos mitgerechnet – innerhalb von drei Minuten Klamotten im Wert von 3100 Dollar ruiniert hatte, fing mein Handy an zu plärren. Und als ob es das Leben nicht sowieso schon übel genug mit mir meinte, bestätigte die Nummer des Anrufers auch noch meine schlimmsten Befürchtungen. Es war Ihre Majestät persönlich. Miranda Priestly. Meine Chefin.
»Aan-dreh-aa! Aan-dreh-aa! Hören Sie mich, Aan-dreh-aa?«, trompetete sie mir ins Ohr, sobald ich das Motorola aufgeklappt hatte – keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass ich sowieso schon alle Hände voll zu tun hatte – von meinen (nun nackten) Füßen ganz zu schweigen. Ich klemmte mir das Telefon zwischen Kinn und Schulter und schmiss die Zigarette aus dem Fenster, wobei ich um ein Haar einen Fahrradkurier erwischt hätte, der sich dafür mit einem derben, aber wenig originellen Fluch bedankte.
»Ja, Miranda. Ich verstehe Sie gut.«
»Aan-dreh-aa, wo ist mein Wagen? Haben Sie ihn schon in der Garage abgeliefert?«
Endlich war mir auf dieser Höllenfahrt auch einmal das Glück hold. Die nächste Ampel sprang auf Rot um. Ich hielt hoppelnd an, ohne auf irgendwen oder irgendwas aufzufahren, und atmete erst einmal
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