Das lässt sich ändern
haben wollten, dann war die ambulante Zeit vorbei, wir hatten die Praxis oben im ersten Stock, zu der die Patienten gelangen konnten, ohne durch unsere Wohnungen zu müssen, Anatol hatte sich mit Bora angefreundet und würde demnächst selbst in die Schule kommen, Nico Grosser warf sich nicht mehr in der Villa seiner Eltern die Treppe hinunter und räumte auch keine Schränke mehr aus; meistens brachte Manuel ihn mir in die Praxis, und immer öfter rief ich Manuel oder seine Eltern nach der Stunde an und sagte, dass er zu unseren Kindern runtergegangen sei und mit ihnen spiele, dann nahm Frau Grosser ihn abends mit, nachdem sie ihr Pferd versorgt hatte; unsere Kinder bemerkten gar nicht, dass Nico eine belegte Stimme hatte und keine Melodie in die Sätze brachte, weil er sich selbst nicht hörte, und sie fanden nichts dabei, dass er ihnen aufden Mund schaute und oft die Gebärdensprache zu Hilfe nahm, die seine Familie mit ihm gemeinsam gelernt hatte und die unsere Kinder nicht verstanden. Manchmal rastete er dann noch aus, aber nach einer Weile ging es wieder, und bevor sie noch selbst den Griffel halten konnten, beherrschten unsere Kinder das Fingeralphabet.
Um diese Zeit fing Fritzi an, sich auffällig und leidenschaftlich für moderne Kunst zu interessieren, und kurz darauf lernten wir Massimo Centofante kennen. Er hatte als Softwareentwickler bei IBM mehrere PC-DOS-Generationen lang eine Unmenge Geld damit verdient, Antivirenprogramme zu schreiben, und darüber vergessen, wie Leben und Schlafen geht, und als ihm das aufgefallen war, war er schon völlig durch den Wind. Sagte Fritzi mitfühlend, als sie ihn zum ersten Mal erwähnte. Er hätte zu Microsoft wechseln und an den nächsten MS-DOS-Generationen mitarbeiten können, aber er war ganz aus der Branche ausgestiegen, und Fritzi hatte ihn in der Galerie am Marktplatz kennengelernt, die er in Ilmenstett eröffnet hatte und in der er vorerst auch wohnte.
Überwiegend stellt er Künstler aus, die zur Transavanguardia gehören, sagte Fritzi. Es klang bedeutend.
Was immer das ist, sagte ich.
Bevor der Galerist höchstpersönlich sich bei Fritziin Behandlung begab, machten wir die Bekanntschaft mit der Transavanguardia, die er seinem ersten Besuch vorausschickte.
Sieht aus wie die jungen Wilden, sagte Adam, als das erste Bild eintraf und Fritzi es uns mit einer Andacht enthüllte, als wäre es die Mona Lisa.
Die jungen Wilden hatten es nicht in die Neunzigerjahre geschafft, und Fritzi war gekränkt, dass Adam ihre Avanguardia für zu früh gealterte junge Wilde hielt, sie setzte zu einem grundsätzlichen Gespräch über die Avanguardia und überhaupt moderne Kunst an, aber Adam sagte, ich find’s schön punkig.
Das konnte Fritzi gelten lassen.
Ein paar Tage später stellte sie uns ihren neuen Patienten vor.
Noch vor der ersten Sitzung klopfte sie an unsere Tür und war aufgeregt wie ein kleines Mädchen.
Massimo leidet an Insomnie, sagte sie.
Soso, sagte Adam.
Ich musste lachen und sagte, so kann man das auch nennen.
Fritzi wurde rot, aber Massimo lächelte mich an. Er war erleichtert, dass wir ihm eine Abkürzung angeboten hatten.
Er war verrückt nach Fritzi, und sie war verrückt nach ihm.
Als ich die beiden sah, kam es mir vor, als hätteuns hier in Ilmenstett noch etwas gefehlt, wie dem Bauern Holzapfel seine Altsteirer Hühner, und ich wunderte mich nicht, dass Massimos Schlafstörungen ausgedehnte Abendsitzungen erforderlich machten, die sich oft bis in die frühen Morgenstunden hinzogen. Dann weckte uns manchmal der Diesel von seinem alten Toyota.
So viel zur Insomnie, sagte ich im Halbschlaf.
Adam sagte, der Arme kann wieder nicht schlafen, und danach schliefen wir wieder ein.
Nachdem er das erste Mal nicht im Morgengrauen gegangen, sondern ganz über Nacht bei Fritzi geblieben war, kamen die beiden zum Frühstück zu uns runter.
Nicht, dass ihr was Unanständiges denkt, sagte Fritzi, und Massimo sagte, lass sie ruhig denken.
Mit Massimo Centofante zogen bei Fritzi bald eine Menge knallbunte Bilder ein, eine riesige Sammlung Bücher und Bildbände sowie ein Computer und ein enormes Know-how dazu, und noch bevor das neue Jahrhundert begann, waren wir bestens vernetzt.
Zum Einstand lud er uns und den Bauern Holzapfel nach oben ein.
Ich mach uns was zum Essen, sagte er beiläufig, und wir dachten uns nichts dabei und hatten keine Ahnung, was für eine Sensation das würde, wenn Massimo was zum Essen macht.
Meine
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