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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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das?«
    »Der frühere K-könig.«
    »Und bin ich Gilgamesch?«
    »Ja.«
    »Ich bin der Mann, den ihr töten solltet?«
    »Ja. Ja. Erledige es rasch, Gilgamesch! Ins Herz, nicht in den Bauch!«
    »Es ist die Mühe nicht wert, hinterher die Klinge von dir säubern zu müssen«, sagte Gilgamesch kalt. »Ich will gnädig sein. Du sollst leben und noch eine Weile weiterrülpsen dürfen.«
    »Tausendfachen Segen über dich! Millionenfachen Segen!«
    Gilgamesch verzog das Gesicht. »Es reicht! Verzieh dich aus meiner Nähe. Zeig mir, wie gut du rennen kannst. Und nimm deinen kotzenden Freund da drüben mit. Ich will diese ganze Begegnung vergessen. Ich erinnere mich nicht, etwas von dir erfahren zu haben, und weiß nichts darüber, daß euch jemand auf mich angesetzt hat. Hast du kapiert? Ja, ich denke, du hast kapiert. Also los jetzt. Verpiß dich!«
    Die beiden waren wirklich ganz passable Läufer. Gilgamesch lehnte sich gegen die Mauer von Picassos Haus und blickte ihnen nach, bis sie verschwunden waren. Wie lästig, dachte er, einfach so auf der Straße überfallen zu werden. Dumuzi hätte sich etwas Phantasievolleres einfallen lassen können. Hätte ein paar Dämonen dazu überreden können, daß sich die Straße unter mir auftut und mich verschlingt, oder mir einen Kessel brennendes Öl von einem Dach aus auf den Kopf gießen, oder etwas in der Art.
    Er sah sich sorgfältig um, ob noch jemand auf ihn lauerte. Das Haus auf der anderen Seite war von einem schwachen Ektoplasmaschimmer umgeben, als dringe eine diabolische Wesenheit durch die Mauern, doch war dies nicht ungewöhnlich. Sonst schien alles ruhig zu sein. Rasch ging er ans Ende der Straße und bog dort links in eine andere, die Straße der Kamele hieß, und ging da weiter über den Gang der Seufzer und den Platz des Geflüsters zu der großen Plaza, an der seine Herberge lag.
    Dort wartete Herodes bereits auf ihn und sprudelte über von Neuigkeiten.
    »Dein Freund sitzt tatsächlich als Gefangener in Uruk«, sagte er. »Wir haben herausbekommen, wo sie ihn festhalten.«
    Gilgamesch riß weit die Augen auf. »Wo ist er? Was haben sie mit ihm gemacht? Woher weißt du es?«
    »Tukulti-Sharrukin ist unsere Informationsquelle, der assyrische Höfling, der so gern zuviel trinkt. Deinem Freund geht es gut. Der Assyrer sagte, es ist ihm in keiner Weise ein Leid geschehen. Er befindet sich an einem Ort, der das Haus des Staubes und der Finsternis heißt, am Nordende der Stadt. Haus des Staubes und der Finsternis, was für ein lustiger Name, wie?«
    »Du Idiot!« Gilgamesch vermochte kaum seinen Zorn zu beherrschen.
    Herodes wich erschrocken zurück. »Was ist denn?«
    »Dein assyrischer Freund hat sich einen Scherz mit dir gemacht, du Narr! Jeder, der von den Zwei Strömen kommt, würde wissen, was das ist, das Haus des Staubes und der Finsternis. Es ist einfach die Bezeichnung, die wir im alten Sumer für den Ort hatten, an den du Toten gehen. Begreifst du denn nicht? Wir sind alle hier im Haus des Staubes und der Finsternis!«
    »Nein«, sagte Herodes und wich noch weiter zurück, da Gilgamesch bedrohliche Handbewegungen machte. »Ich habe keine Ahnung von Sumer, aber dieses Gebäude heißt hier und jetzt tatsächlich so. Ich habe es gesehen. Der Name steht über dem Eingang. Es ist einfach bloß ein Gefängnis, Gilgamesch. Dumuzis spezielles Ersterklasse-Gefängnis für seine politischen Häftlinge, sehr hübsch, sehr komfortabel. Sieht aus wie ein Hotel.«
    »Du sagst, du warst dort?«
    »Tukulti-Sharrukin brachte mich hin.«
    »Und Enkidu? Du hast mit ihm gesprochen?«
    »Nein. Ich bin nicht hineingegangen. So sehr gleicht es einem Hotel auch wieder nicht. Doch Tukulti-Sharrukin sagt…«
    »Wer ist dieser Assyrer? Weshalb verläßt du dich so auf das, was er dir sagt?«
    »Vertraue mir. Er haßt Dumuzi – irgendwas Geschäftliches, das schiefging, eine echte Gaunerei, er und der König hatten eine Partnerschaft bei einem Bebauungsprojekt, und der König hat ihn beganefft und die Gewinne allein eingesackt. Und deshalb will er jetzt alles tun, um es Dumuzi heimzuzahlen. Er hat mir alles darüber erzählt, in der Nacht bei dem Fest. Er und ich, wir sind da so dicke Freunde geworden, Gilgamesch, so dick. Er ist einer von meinem Volk, mußt du wissen.«
    »Er ist was?«
    »Jude. Wie ich.«
    Gilgamesch runzelte die Stirn. »Ich dachte, er ist Assyrer.«
    »Ein assyrischer Jude. Sein Großvater war der assyrische Gesandte in Israel, zur Zeit König Davids, und der

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