Das Land der lebenden Toten
Eindruck, als beginne die Gestalt Lugalbandas zu schwanken und immer mehr zu verblassen.
»Vater? Vater, werde ich dich denn wiedersehen?«
»Aber gewiß.«
»Vater! Vater!«
»Geh nun«, befahl Lugalbanda. »Alles ist bereit und wartet auf dich.«
Gilgamesch versuchte, die Hand seines Vaters festzuhalten, doch es ging nicht, die Hand besaß keine Festigkeit mehr, sie war nur noch eine Schattenhand, und dann war sie ganz verschwunden, und da war nichts mehr, und er stand allein und mußte blinzeln gegen die plötzliche Helligkeit, die über ihn hereinbrach. Über dem Horizont zuckten Blitze. Aus dem Osten fuhr ein Wind herein, scharf wie eine Klinge, fegte das flache Land kahl und wirbelte Wolken graubraunen Staubes auf. Und er trug einen Bogen in der Hand, seinen eigenen Bogen aus mehreren edlen Hölzern gefügt, seinen Bogen, den kein anderer Mann zu spannen stark genug war, außer ihm – ihm und Enkidu. Er kannte diesen Ort hier wieder. Ja, wirklich, er war früher schon hier gewesen. Es war die Nachwelt. Es war das Outback, das öde Hinterland, in dem er so lange Zeit auf Jagd gegangen war. Er kniff die Augen zusammen und spähte in die Ferne. Über die weite Ebene her bewegte sich eine Gestalt auf ihn zu. Es war ein Mann, ein starker, von Leben strotzender Mann, ein Mann, den er so gut kannte, wie er sich selber kannte. Es war Enkidu, sein Enkidu, und er lächelte und winkte ihm zu. »Bruder!« rief er laut. »Heil dir, Bruder!« Und auch Gilgamesch lächelte und winkte zurück und rief ihm freudig einen Gruß entgegen und ging auf ihn zu.
{ * } Ich führe zu der Stadt voll Schmerz und Grausen,
Ich führe zu dem wandellosen Leid,
Ich führe hin, wo die Verlornen hausen.
Ihn, der mich schuf, bewog Gerechtigkeit;
Mich gründete die Macht des Unsichtbaren,
Die erste Lieb’ und die Allwissenheit.
Geschöpfe gibt es nicht, die vor mir waren,
Als ewige, die selbst ich ewig bin
Laßt, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren –
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