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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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und Howard Schreibarbeiter gewesen, Verfasser phantastischer Fabeln, doch jetzt sahen sie sich auf einmal verfangen in etwas, das weit phantastischer war als irgend etwas, das in ihren Fabeln vorkam, denn das hier war eben kein Märchen. Dies war die harte brutale Realität in der Nachwelt.
    Der Landrover hüpfte, schlitterte und sprang weiter.
    »Robert bitte«, sagte der blasse Mann ein wenig nervös.
    Gilgamesch wußte, daß ein paar Leute ihn wegen seiner konservativen Einstellung für einen Trottel hielten. Caesar zum Beispiel. Der kaltschnäuzige Kotzbrocken Julius mit seinem Gurt von Splittergranaten um den Bauch und der Uzi über der Schulter – Caesar, der all das repräsentierte, was Gilgamesch am meisten verachtete. »Wieso gibst du’s nicht zu?« hatte Caesar ihn vor ziemlich langer Zeit gefragt, aus seinem Jeep heraus, als Gilgamesch seinen Abgang aus Nova Roma vorbereitete, der Stadt, in der er viel zu lange gelebt hatte, um in die offene Wildnis der Nachwelt, das gottverlassene Outback zu ziehen. »Das ist doch reine Affektiertheit, Gilgamesch, dieses ganze hartnäckige Beharren auf Pfeilen und Wurfspießen und Speeren. Du lebst eben nicht mehr im alten Sumer derzeit.«
    Gilgamesch spuckte aus. »Jagen mit Neunmillimeter-Automatik? Jagen mit Granaten und Splitterbomben und Lasern? So was nennst du Sport, Caesar?«
    »Ich nenn’ das die Realität akzeptieren. Lehnst du die technischen Errungenschaften ab? Was besteht für ein Unterschied zwischen dem Einsatz von Pfeil und Bogen und dem von einem Gewehr? Beides ist Technik, Gilgamesch. Und schließlich tötest ja auch du die Tiere nicht mit den bloßen Händen.«
    »Auch das habe ich schon getan«, entgegnete Gilgamesch.
    »Pah! Ich hab’ dich durchschaut. Der große Wonnebrocken Gilgamesch, der naive, schlichte übergroße Heros der Bronzezeit! Auch das ist nichts weiter als Affektiertheit, mein Freund. Du tust, als wärst du ein blöder, sturer und dickschädliger Barbar, weil es dir so paßt, daß man dich bei deiner Jagd und deinen Wanderungen in Ruhe läßt, und das ist alles, behauptest du, was du wirklich willst. Aber insgeheim hältst du dich allen überlegen, die in einer Ära leben, die leichter und bequemer ist als deine Welt. Du beabsichtigst, die schlechten alten dreckigen Methoden der Ururalten wieder einzuführen, stimmt’s nicht? Wenn ich dich richtig durchschaue, dann wartest du bloß deine Zeit ab und treibst dich derweil mit Pfeil und Bogen im trostlosen Outback herum, bis du den richtigen Moment für gekommen hältst, den Putsch zu starten, der dir hier die höchste Machtposition verschaffen soll. Stimmt’s nicht, Gilgamesch? Du hängst einer verrückten Wunschvorstellung nach, daß du uns alle beherrschen willst, als höchster Alleinherrscher und absoluter Diktator. Und dann leben wir wieder in Städten aus Lehmziegeln und kritzeln kleine Hühnerkrakeleien auf Tontäfelchen, so wie du denkst, daß Menschen das tun müssen. Was sagst du dazu?«
    »Ich sage, du redest großen Quatsch, Caesar.«
    »Ah, ja? Es wimmelt hier nur so von Königen und Kaisern und Sultanen und Pharaonen und Schahs und Präsidenten und Diktatoren, und jeder von denen möchte wieder die Nummer Eins sein. Ich vermute, du bist da auch keine Ausnahme.«
    »Darin irrst du dich gewaltig. Es ist jedermann wohlbekannt, daß mich nicht danach gelüstet, ein zweites Mal über Menschen zu herrschen.«
    »Das bezweifle ich eben. Ich hege den Verdacht, daß du dich für den Nobelsten von uns allen hältst: Du, der kühne Krieger, der große Jäger, der Ziegelmacher, der Erbauer weiter Tempel und erhabener Wallmauern, der strahlende Musterknabe des antiken Heldentums.« Caesar lachte. »Ehe es Rom gab, da warst du und dein erbärmliches kleines von der Sonne versengtes Mesopotamien, das Land zwischen den Flüssen, tatsächlich eine große Show, und das kannst du uns einfach nicht vergessen lassen, wie? Du hältst uns alle für degenerierte verkommene miese Schufte und dich für den einzigen echten tugendhaften Mann. Dabei bist du genauso stolz und überheblich und ehrsüchtig wie nur einer von uns. Trifft das nicht zu? Diese Sache, daß du deine Königsmacht abgelegt hast, wofür du so gepriesen wurdest, das ist doch nur Pose. Du bist ein Schwindler, Gilgamesch, ein gewaltiger muskelbepackter Schwindler!«
    »Wenigstens bin ich aber keine glatte heimtückische Schlange wie du, Caesar, der sich seine Freunde kauft und zum jeweils günstigsten Preis wieder

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