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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Wesen entgegen.
    Mit seinem ersten Hieb zerschnitt er zwei davon halb durch, und Enkidu einen dritten Unhold. Die zerstückelten Leiber fielen nieder und verströmten eine dunkle goldene Flüssigkeit. Gilgamesch wirbelte herum, bereit für den nächsten Angreifer, doch sie zogen sich mit feigen leisen Schnüffellauten zurück. Hatte das Gemetzel sie in die Flucht geschlagen? Nein, es war ein Täuschungsmanöver! Sechs weitere kamen seitlich heran, und mindestens ebenso viele von der anderen Seite und stürzten sich furchtlos den beiden Sumerern entgegen. Gilgamesch pflückte einen von Enkidus Schulter und schleuderte ihn weit fort, und Enkidu, der herumfuhr, säbelte einen Angreifer von Gilgameschs Bein, an dem das Ding zerrte, um ihn zu Boden zu werfen.
    »Rücken an Rücken, Bruder!« rief Enkidu.
    Gilgamesch nickte. Sie gingen in Position und drückten sich eng aneinander, bildeten einen einzigen Leib mit acht Gliedmaßen und zwei wütenden Schwertern. Sie brauchten einander keine weiteren Hinweise zu geben, sie bewegten sich im Einklang, hierhin und dann dorthin, sie hieben zu, stießen, zerschlitzten, schlachteten. Kurz darauf lag ein Halbdutzend der gräßlichen Angreifer tot da, und die übrigen umkreisten sie unruhig, kläffend und zischend, und suchten auf irgendeine Weise die Abwehr der beiden Männer zu durchbrechen.
    Dann war die Sonne ganz über den Kamm gestiegen, und ihr volles Licht brach über den Kampfplatz herein; und die Überlebenden unternahmen nicht den Versuch, ihre Gefallenen zu bergen, sondern wandten sich zur Flucht und eilten nach Westen, als fürchteten sie, von der frischgeborenen Tageshelle versengt zu werden. Einer von ihnen wandte sich zu ihnen um, und Gilgamesch erblickte eine grausam höhnende Parodie von Menschengestalt: eine breite niedere dunkle Stirn, zwei funkelnde rote Augen, weitgespreizte Klauenhände. Gilgamesch hob drohend die Faust, und in der alten Sprache des Landes gebot er dem Unhold und allen seiner Art, sich davonzumachen. Schnaubend und fauchend floh das Untier. Die übrigen rannten noch schneller davon, überholten es und verschwanden eines nach dem anderen in Spalten und Höhleneingängen im zerklüfteten Boden.
    Enkidu sah starr auf die umherliegenden Leichen. Mit einem leichten Schaudern sagte er: »Bei Enlil, Bruder, das ist wahrhaft ein verrottetes Land, das so scheußliche Geschöpfe hervorbringt.«
    »Sind’s Dämonen, meinst du?«
    »Nein, bloße Affen, scheint mir.«
    Gilgamesch zuckte die Achseln. »Affen oder Dämonen, was macht das für einen Unterschied. Aber ich bin viel lieber in ihrer Gesellschaft als in der von Narren.«
    »Und was für Narren meinst du, Bruder?«
    Gilgamesch wies mit dem Daumen heftig nach rückwärts, über die Schulter. »Narren, wie sie in den Städten hausen, die hinter uns liegen.«
    »Aha. Ja. Du meinst, wie dieser Priester Johannes?«
    »Der ist weit weniger ein Narr als die meisten anderen. Nein, ich meine Städte wie Nova Roma und die anderen weit drüben fern im Osten…«
    »Elektrograd, ja? Guillotine? Die Städte der Spät-Toten?«
    Gilgamesch nickte. »Ja, die meine ich. Und mein einziges Ziel ist es jetzt, mich möglichst weit von Orten entfernt aufzuhalten, in denen diese kleinen, keifenden, gierigen Kläglinge hausen, die König von diesem oder jenem zu sein trachten, und – wie lautet das Wort? – Präsident? Ja, Präsident. Sultan, Kaiser, Zar, Schah… Ich beabsichtige, die halbe Nachwelt oder ein Stückchen mehr zwischen mich und all diese Leute und alle derartigen Städte zu legen.«
    Enkidu lachte. »Das muß man sich mal vorstellen, daß ich mir die ganze Zeit, während ich einsam durch die Hinterwäldlerwelt streifte, ausmalte, wie du immer noch in Nova Roma in fauler Bequemlichkeit dich herumsuhltest, an einem Abend mit Bismarck speistest, am nächsten mit Cromwell und dann mit Esarhaddon oder Nefertiti…«
    »Nova Roma!« brummte Gilgamesch. »Ich konnte es nicht ausstehen. Ich konnte nicht schnell genug weg von da. Und wenn ich Nova Roma nie wieder sehen muß – oder Bismarck oder Cromwell oder Lenin – oder jemals diese Namen hören muß…« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Bruder, das ist eine Lebensphase, die für mich vorbei und abgetan ist. Mich verlangt es nur noch sehnlich danach, als einfacher schlichter Jäger zu leben. Ich werde mich fernhalten von allen diesen wichtigen Hauptstädten, wo sich die Später Toten herumtreiben könnten. Elektrograd, Guillotine, Smoketown, Hypoluxo,

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