Das Land der Pelze
gleich seinem Begleiter hatte auf den Boden werfen müssen, um dem Ungestüm des Windes zu widerstehen. Entweder hat sich ein großer Theil der Insel losgerissen und treibt nun fort, oder es ist das nur ein Einschnitt, welchen wir umgehen können. Vorwärts also!«
Jasper Hobson und der Sergeant erhoben sich und wandten sich nach rechts, indem sie der Wasserlinie sollten, welche zu ihren Füßen schäumte. So gingen sie wohl zehn Minuten lang, immer mit der Furcht, von aller Verbindung mit dem südlichen Theile der Insel abgeschnitten zu sein. Da verstummte die Brandung, welche zu dem Lärmen des Sturmes sonst noch hinzu gekommen war.
»Das ist nur ein Einschnitt, sagte Lieutenant Hobson seinem Sergeanten in’s Ohr. Kehren wir um!«
Auf’s Neue schlugen sie die Richtung nach Süden ein. Gewiß setzten sich die muthigen Männer einer Gefahr aus, doch trotzdem sie das Beide recht wohl wußten, theilten sie ihre Gedanken einander doch nicht mit.
In der That konnte dieser Theil der Insel Victoria, über welchen sie jetzt schritten, und der schon auf eine weite Strecke aus der Ordnung geschoben war, sich jeden Augenblick gänzlich davon loslösen. Vertiefte sich der Einschnitt unter dem Zahn der Brandung noch weiter, so wurden sie mit ihm unfehlbar verschlagen. Sie zauderten aber nicht, sondern drangen durch die Finsterniß, ohne zu fragen, ob ihnen ein Weg zur Rückkehr übrig sein würde.
Welche beunruhigende Gedanken lasteten da auf Jasper Hobson’s Seele. Konnte er jetzt noch hoffen, daß die Insel bis zum Winter zusammen halten werde? War jenes nicht der Anfang des unvermeidlichen Bruches? Wenn sie jetzt der Wind nicht gegen die Küste trieb, war sie dann nicht verurtheilt, bald zu Grunde zu gehen, zu schmelzen und zu versinken? Welch eine trostlose Zukunft und welche Aussicht verblieb dann noch den unglücklichen Bewohnern dieses Eisfeldes?
Niedergeschmettert und zerschlagen von der Wucht der Windstöße verfolgten die beiden muthigen Männer, die nur das Gefühl einer zu erfüllenden Pflicht noch aufrecht erhielt, unaufhaltsam ihren Weg. So kamen sie an den Saum jenes weiten Hochwaldes, der an Cap Michael grenzte. Dieser war zu durchschreiten, um möglichst bald das Ufer zu erreichen. Jasper Hobson und Sergeant Long begaben sich also hinein, trotz der tiefsten Finsterniß, trotz des Höllengetöses des Sturmes in den Tannen und Birken. Alles krachte rings um sie und die abgerissenen Zweige schlugen ihnen in’s Gesicht. Jeden Augenblick liefen sie Gefahr, durch einen umstürzenden Baum erschlagen zu werden, oder stießen sich an den schon gefallenen Stämmen, die in der Dunkelheit nicht zu bemerken waren. Dennoch gingen sie jetzt nicht mehr auf gut Glück weiter, denn das Rauschen des Meeres leitete ihre Schritte durch das Gehölz. Sie vernahmen den furchtbaren Rückprall der Wogen, die sich mit schrecklichem Geräusche brachen, und mehr als einmal fühlten sie den dünner gewordenen Boden unter ihren Füßen zittern. Endlich kamen sie Hand in Hand, um sich nicht zu trennen, sich unterstützend und Einer dem Anderen aufhelfend, wenn sie gegen ein Hinderniß stießen, an den Küstenrand auf der anderen Seite des Waldes.
Dort riß sie aber ein Wirbelwind von einander; sie wurden mit Gewalt getrennt und zur Erde geschleudert.
»Sergeant! Sergeant! Wo seid Ihr? rief Jasper Hobson mit aller Kraft seiner Lungen.
– Hier, Herr Lieutenant!« antwortete der Sergeant.
Auf dem Boden hin kriechend suchten sich Beide wieder zu vereinigen, doch schien es, als ob eine übermächtige Hand sie an die Stelle banne. Nach unerhörten Anstrengungen näherten sie sich endlich und banden sich, um einer Wiederholung eines solchen Zufalls vorzubeugen, mit den Gürteln an einander; dann krochen sie auf dem Sande hin, um eine leichte Bodenerhöhung zu gewinnen, welche eine Gruppe dürftiger Tannen krönte. Unter dem geringen Schutze derselben gruben sie endlich ein Loch auf, in welchem sie erschöpft und athemlos eine Zuflucht suchten.
Jetzt war es um elf Uhr Nachts.
Einige Minuten verharrten Jasper Hobson und sein Begleiter schweigend. Die Augen halb geschlossen, konnten sie sich nicht mehr rühren, und eine Art Halblähmung oder Schlafsucht ergriff sie, während der tobende Sturm über ihren Köpfen die Tannen schüttelte, welche wie die Knochen eines Skelettes klapperten. Mit aller Anstrengung widerstanden sie dem Schlafe, und erquickten sich durch einige Schlucke Branntwein aus der Kürbisflasche des Sergeanten.
»Wenn
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