Das Land der Pelze
schneiden.
»Es geht gut, sagte da Jasper Hobson zu dem Sergeanten, welcher ruhig neben ihm saß, als stände er ›Gewehr auf Schulter‹, die Fahrt läßt sich gut an. Der Himmel ist günstig, die Temperatur mäßig, unsere Bespannung läuft wie ein Expreßzug, und wenn diese gute Witterung anhält, wird unsere Ueberfahrt ohne Hinderniß verlaufen. Was denken Sie darüber, Sergeant Long?
– Was Sie selbst denken, Lieutenant Jasper, antwortete der Sergeant, der sich nichts anders vorstellen konnte, als sein Vorgesetzter.
– Sind Sie ebenso wie ich dafür, Sergeant, fuhr Jasper Hobson fort, so weit als möglich nach Norden vorzudringen?
– Sie haben nur zu befehlen, Herr Lieutenant, ich gehorche.
– Ich weiß es, Sergeant, ich weiß, daß es hinreicht, Ihnen eine Ordre zuzustellen, um sie ausgeführt zu sehen. Möchten unsere Leute ebenso die Tragweite unserer Mission einsehen, und sich mit Leib und Seele den Interessen der Compagnie widmen. O, Sergeant Long, ich glaube, wenn ich Ihnen einen ganz unausführbaren Befehl gäbe …
– Es giebt keine unausführbaren Befehle, Herr Lieutenant.
– Was? Und wenn ich Sie bis an den Nordpol schickte?
– Dann ginge ich hin, Herr Lieutenant.
– Um auch von dort zurückzukehren? setzte Jasper Hobson lächelnd hinzu.
– Ich käme auch wieder«, antwortete einfach der Sergeant.
Während dieses Zwiegesprächs zwischen Lieutenant Hobson und seinem Sergeant hatten auch Mrs. Paulina Barnett und Madge, als die Schlitten der Steilheit des Bodens wegen etwas langsamer gingen, einige Worte gewechselt. Diese beiden beherzten Frauen betrachteten, wohl verwahrt in ihren Otterpelzhauben und unter einem dicken, weißen Bärenfelle halb begraben, diese rauhe Natur und die blassen Umrisse der hohen Eisberge, welche sich längs des Horizontes abhoben. Das Detachement hatte die Hügel schon hinter sich gelassen, welche das nördliche Ufer des Sklaven-Sees uneben machen, und deren Gipfel von starrenden Baumgerippen bekrönt waren. Die unendliche Ebene dehnte sich ohne Grenzen vor den Augen aus.
Doch belebten einige Vögel durch ihre Stimmen und ihr Auffliegen die ungeheure Einöde. Unter diesen bemerkte man einige Schwärme von Schwänen, welche nach Norden zogen und deren Weiße des Gefieders mit der des Schnees verschmolz. Man unterschied sie blos, wenn man das Grau der Atmosphäre als Hintergrund hatte. Auf dem Erdboden aber waren sie auch von dem schärfsten Auge kaum zu entdecken.
»Welch’ wunderbare Gegend! sagte Mrs. Paulina Barnett. Welch’ ein Unterschied zwischen diesen Eisregionen und den grünenden Ebenen Australiens! Erinnerst Du Dich, meine gute Madge, als uns am Golf von Carpentaria die Hitze überwältigte; entsinnst Du Dich dieses unerbittlichen Himmels, ohne jede Wolke und jeden Wasserdunst?
– Meine Tochter, antwortete Madge, ich besitze nicht, wie Du, die Gabe der Erinnerung. Du bewahrst Deine gehabten Eindrücke, ich vergesse die meinen.
– Was, Madge, rief Mrs. Barnett, Du hast die Tropenhitze Indiens und Australiens vergessen? Dir ist keine Erinnerung an unsere Qualen verblieben, wie uns in der Wüste das Wasser fehlte, wie die Sonnenstrahlen uns brannten bis in’s Mark hinein, und selbst die Nacht unsere Leiden kaum unterbrach?
– Nein, nein, Paulina, erwiderte Madge, die sich dichter in die Pelzdecken wickelte, nein, ich erinnere mich dessen nicht. Und wie kannst Du mir auch jetzt die Leiden, von denen Du sprichst, die Hitze und den quälenden Durst in’s Gedächtniß zurückrufen wollen, jetzt, wo das Eis uns rings umstarrt, und ich nur die Hand auszustrecken brauche, um einen Schneeball zu erfassen. Du sprichst mir von Hitze, und wir frieren unter den dicken Bärenfellen! Du erinnerst Dich der Sonnengluth, während diese Aprilsonne nicht einmal das Eis von unseren Lippen wegthauen kann! Nein, meine Tochter, sprich mir nicht mehr von Hitze, sage nicht, daß ich mich je beklagt hätte, es sei mir zu warm gewesen, jetzt könnte ich Dir’s nicht glauben.«
Mrs. Paulina Barnett konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.
»Ach, sagte sie, Du frierst wohl sehr, meine gute Madge?
– Gewiß, meine Tochter, mir ist’s kalt, aber diese Temperatur mißfällt mir nicht. Im Gegentheil, dieses Klima muß recht gesund sein, und ich hoffe, mich an diesem Ende von Amerika sehr wohl zu befinden. Das ist wirklich ein schönes Land hier!
– Ja wohl, Madge, ein wunderbares Land, und bis jetzt haben wir von seinen Wundern nur noch sehr wenig gesehen.
Weitere Kostenlose Bücher