Das Land der Pelze
Laß aber unsere Reise sich bis an die Küsten des Polarmeeres ausdehnen, laß den Winter kommen mit seinen gigantischen Eisgebilden, seiner tiefen Schneedecke, seinen Borealstürmen, mit dem Nordlichte, den funkelnden Sternbildern, der langen sechsmonatlichen Nacht – dann wirst Du es begreifen, daß des Schöpfers Werk allüberall vollkommen ist!«
So sprach, bei ihrer lebhaften Einbildung, Mrs. Paulina Barnett.
In diesen entlegenen Regionen mit ihrem unerträglichen Klima sah sie nur die schönsten Phänomene der Natur. Ihr Reisetrieb überwog die Vernunft. Jetzt sog sie aus diesen Polargegenden nur die ergreifende Poesie, welche die Weisen durch die Legende fortgepflanzt und die Barden aus Ossian’s Zeiten gesungen hatten. Die nüchternere Madge aber machte sich aus den Gefahren einer Reise nach den arktischen Ländern kein Hehl, so wenig, wie aus den Leiden einer Ueberwinterung bei weniger als dreißig Graden vom Nordpole.
Wirklich unterlagen ja oft auch die Stärksten den Anstrengungen und Entbehrungen, den geistigen und körperlichen Qualen dieser rauhen Klimate. Lieutenant Jasper Hobson’s Mission gab freilich keine Veranlassung, bis zu den höchsten Breitengraden der Erdkugel vorzudringen; es handelte sich nach seinem Auftrage nicht darum, den Pol zu erreichen oder sich auch nur auf die Fährten eines Parry, Roß, Mac Clure, Kane oder Morton zu wagen. Hat man den Polarkreis aber einmal überschritten, so sind die Prüfungen fast die nämlichen, nehmen wenigstens nicht in dem Verhältniß, wie das Wachsthum der Breite, zu. Jasper Hobson dachte wohl auch gar nicht daran, über den siebenzigsten Grad hinauszugehen! Gut. Man erinnere sich aber, daß Franklin und seine Unglücksgenossen durch Hunger und Frost umgekommen sind, an einer Stelle, wo sie noch nicht einmal den achtundsechzigsten Grad nördlicher Breite passirt hatten!
In dem vom Joliffe’schen Ehepaare besetzten Schlitten war unterdessen von ganz anderen Dingen die Rede. Wahrscheinlich hatte der Corporal seinen Abschied etwas zu reichlich begossen, denn er wagte ganz ausnahmsweise anderer Ansicht zu sein, als sein Weibchen. Ja, er trotzte ihr sogar, was nur bei ganz außergewöhnlichen Gelegenheiten vorkommen konnte.
»Nein, liebe Frau, sagte der Corporal, keine Furcht! Ein Schlitten ist nicht schwieriger zu regieren, als ein Ponygespann, und der Kukuk hole mich, wenn ich nicht mit solch’ einer Hundebespannung fertig werde.
– Dein Geschick hierzu bestreite ich ja gar nicht, entgegnete Mrs. Joliffe, Du sollst nur die Schnelligkeit der Fahrt mäßigen. Da sind wir schon an der Spitze des Zuges, und ich höre den Zuruf des Lieutenant Hobson, daß Du Deinen Platz am Ende desselben wieder einnehmen sollst.
– Laß ihn nur rufen, Frauchen, immer laß ihn rufen …«
Von neuen Peitschenschlägen angetrieben, flogen die Hunde mit dem Schlitten in wachsender Schnelligkeit dahin.
»Nimm Dich in Acht, Joliffe! mahnte seine Frau. Nicht so schnell! Es geht hier bergab!
– Bergab? erwiderte der Corporal, Du nennst das bergab?
– Ich sage es Dir noch einmal, es geht hier bergunter!
– Und ich versichere Dir, daß es bergauf geht. Da sieh’ doch, wie die Hunde ziehen müssen!«
In Wahrheit zogen aber die Hunde keineswegs. Die Abhängigkeit des Bodens war im Gegentheil ganz auffallend. Mit schwindelnder Schnelligkeit flog der Schlitten dahin, und war jetzt den anderen schon weit voraus. Mr. und Mrs. Joliffe sprangen darin auf und nieder. Die Stöße in Folge der Unebenheit des Weges wurden häufiger. Die beiden Gatten, welche bald nach links, bald nach rechts und bald an einander geworfen wurden, schüttelte es tüchtig durch. Der Corporal wollte aber einmal auf Nichts, weder auf die Ermahnungen seiner Frau, noch auf das Zurufen des Lieutenants Hobson, hören. Da Letzterer die Gefahren dieser wilden Jagd einsah, trieb er sein eigenes Gespann an, um den Tollkopf einzuholen, und ihm folgte die ganze Karawane in demselben Sturmschritte.
Der Corporal aber flog immer tapfer weiter; seine Schnelligkeit berauschte ihn; er focht mit den Armen, rief und handhabte seine lange Peitsche, als wäre er ein vollkommener Sportsman.
»Ein prächtiges Instrument, eine solche Peitsche, sagte er, und dazu verstehen die Eskimos mit unglaublicher Geschicklichkeit mit ihr umzuspringen.
– Du bist aber kein Eskimo, fiel seine Frau ein und machte den vergeblichen Versuch, den Arm ihres tollen Schlittenlenkers fest zu halten.
– Ich habe mir sagen lassen, lallte
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