Das Land der Pelze
der sie mit sprachlosem Erstaunen betrachtete.
»Das ist doch ein närrisches Ding, wendete sich dieser an Lieutenant Hobson. Könnten Sie mir sagen, Herr Lieutenant, auf welcher Seite der Eisbank die Insel Victoria eigentlich liegt? Im Westen oder Osten?
– Natürlich im Westen, antwortete Jasper Hobson, verwundert über diese Frage.
– Ja, das weiß ich zwar auch, versetzte Marbre, den Kopf schüttelnd. Wenn das aber der Fall ist, sind wir auf falschem Wege, und kommen immer weiter von ihr ab.
– Was! Wir entfernten uns von ihr? fragte der Lieutenant, den der überzeugte Ton des Jägers stutzig machte.
– Gewiß, Herr Lieutenant! Hier, sehen Sie nach der Boussole, und ich will nicht Marbre heißen, wenn wir ihrer Angabe nach nicht nach Osten, statt nach Westen marschiren.
– Das ist unmöglich, warf die Reisende ein.
– Ueberzeugen Sie sich selbst, Madame«, antwortete Sabine.
Wirklich wies die Magnetnadel nach einer der angenommenen ganz entgegengesetzten Richtung.
»Wir müssen uns heute Morgen beim Verlassen des Eishauses getäuscht und den Weg nach links, statt nach rechts zu eingeschlagen haben.
– Nein, rief Mrs. Paulina Barnett, das ist unmöglich; wir haben uns nicht getäuscht!
– Aber … entgegnete Marbre.
– Nun, aber …, da betrachten Sie doch die Sohne. Geht sie etwa nicht mehr im Osten auf? Da wir ihr nun von heute Morgen ab den Rücken zugekehrt haben, und es auch jetzt noch thun, so steht es fest, daß wir nach Westen wandern. Weil nun die Insel im Westen liegt, so treffen wir auf diese, wenn wir auf der Westseite der Eiswand herauskommen.«
Marbre, der gegen diese Beweisführung nicht aufkommen konnte, kreuzte sinnend die Arme.
»Zugegeben, es verhält sich so, sagte Sabine, dann widersprechen sich aber Sonne und Boussole ganz und gar.
– Wenigstens augenblicklich, belehrte ihn Jasper Hobson. Das hängt indeß nur davon ab, daß unter hohen nördlichen Breiten und in den Meeren in der Nachbarschaft des magnetischen Poles die Boussolen nicht selten alterirt werden, und die Magnetnadeln ganz falsch zeigen.
– Nun gut, sagte Marbre, so setzen wir also unseren Weg, die Sonne im Rücken, weiter fort.
– Ohne Zweifel, antwortete Lieutenant Hobson, zwischen Boussole und Sonne kann die Wahl nicht schwer sein, denn die Sonne kommt nicht außer Ordnung.«
Die kleine Gesellschaft zog in der Richtung, welche nach Allem eine falsche nicht sein konnte, in dem Thale weiter, brauchte aber längere Zeit dazu, als man voraus gesehen hatte. Schon gegen Mittag hätte man am Ende des Thales sein sollen, und nun kam die zweite Stunde heran, ehe der enge Ausgang wieder erreicht wurde.
Diese auffällige Verzögerung hätte Jasper Hobson wohl schon beunruhigt; man male sich nun aber sein und seiner Begleiter Erstaunen, als sie beim Wiederbetreten des Eisfeldes die Insel Victoria, welche doch vor ihnen liegen mußte, nicht mehr sahen! Die Bäume auf dem Cap Michael hätte man ohne Zweifel erkennen müssen. – Nichts war vorhanden. An der Stelle des letzteren dehnte sich ein grenzenloses Eisfeld aus, auf dem die Sonne in zahllosen Lichtpunkten glitzerte.
Lieutenant Hobson, Mrs. Paulina Barnett und Kalumah sahen sich fragend an.
»Dort müßte doch die Insel liegen! rief Sabine verwundert.
– Sie ist aber doch nicht da, erwiderte Marbre; können Sie wohl sagen, Herr Lieutenant, was aus ihr geworden ist?«
Mrs. Paulina Barnett wußte Nichts hierauf zu erwidern, und auch Jasper Hobson sagte kein Wort.
Da näherte sich Kalumah dem Letzteren, nahm ihn beim Arme und sprach:
»Wir haben uns in dem Thale geirrt und befinden uns jetzt an derselben Stelle, wie gestern nach dem ersten Durchschreiten des Packeises. Kommen Sie! Kommen Sie!«
Ganz maschinenmäßig ließen sich Jasper Hobson, Mrs. Paulina Barnett, Marbre und Sabine im Vertrauen auf den Instinct der jungen Eingeborenen von dieser wegführen und kehrten noch einmal in dem engen Thale ihren eigenen Weg zurück, trotzdem nach dem Stande der Sonne alle Anzeichen gegen Kalumah’s Behauptung sprachen.
Diese Letztere hatte sich gar nicht weiter erklärt, sondern eilte unbeirrt vorwärts.
Ganz erschöpft von Anstrengung gelangten der Lieutenant, die Reisende und ihre Begleiter nach einem dreistündigen Wege, über den die Nacht sich schon herabgesenkt hatte, an der anderen Seite der Eisbank an. Zwar verhinderte die Dunkelheit zu erkennen, ob die Insel in der Nähe sei, doch sollten sie darüber nicht lange im Unklaren bleiben.
Nur
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