Das Landmädchen und der Lord
gefordert. Erinnert ihr euch? Ständig glaubt ihr drei, ihr würdet auf der Seite des Rechts stehen. Zum Teufel mit euch! Ich werde nicht fliehen, denn ich bin kein Feigling. Obwohl ihr mich für einen haltet! Wenn Pendleton mich suchen möchte – er weiß, wo er mich findet. Mit euch bin ich noch nicht fertig.“
Gerard beobachtete, wie der Marquess auf sein Pferd stieg und davongaloppierte. Betreten schauten die anderen sich an.
„Ziemlich unangenehm, dieser Zwischenfall, Ravenshead“, seufzte Sir John. „Was geschehen ist, bedaure ich zutiefst. Sicher wollte Northaven die junge Dame nicht treffen. Sie hätte nicht in die Schusslinie laufen dürfen.“
„Nun, man kann nie wissen, was verliebte Frauen tun“, sagte Gerard und zuckte die Achseln. „Unser Freund glaubte, weil Northaven ein schlechter Schütze ist, würde er ihn verfehlen. Und Harry kündigte an, danach würde er in die Luft feuern. Natürlich wollte er seinen Gegner nicht töten – und diesem Unsinn nur ein Ende bereiten.“ Er wandte sich zu Max. „Kehren wir zum Haus zurück. Wenn wir auch nicht viel unternehmen können …“
„Was geschehen wird, liegt in Gottes Hand“, meinte Max bedrückt. „Hoffentlich beginnt Miss Hampton nicht zu fiebern, sonst wird sie womöglich sterben. Daran würde Harry sich die Schuld geben.“
„Schon jetzt macht er sich bittere Vorwürfe. Ich verstehe nicht, wieso seine Verlobte erfahren hat, dass ein Duell stattfinden würde – und an welchem Ort. Hoffentlich hat Sinclair sie nicht informiert, das würde Harry ihm nie verzeihen.“
10. KAPITEL
Susannah bewegte sich, als Harry sie so sanft wie möglich auf kühle Leinenlaken legte. Aus ihrer Kehle rang sich ein leiser Schmerzensschrei. Über ihre Wangen rollten Tränen. Doch sie sagte nichts, starrte ihn nur an und schien nicht zu wissen, was passiert war.
„Oh, meine törichte kleine Liebste!“, flüsterte Harry. „Tut es sehr weh?“
„Ein bisschen … Er hat dich nicht getötet … Bist du nicht einmal verletzt?“
„Nein, mein Engel.“
„Treten Sie beiseite, Sir“, befahl Dr. Barnes in strengem Ton. „Am besten verlassen Sie das Zimmer. Ich werde Ihre Verlobte mit der Hilfe dieser guten Frau betreuen.“ Er wandte sich zu Amelia, die ihnen die Haustür geöffnet und sie in Susannahs Schlafzimmer geführt hatte.
Obwohl sie nur ein Negligé trug, machte sie kein Aufhebens um ihre unzulängliche Kleidung in der Gegenwart von Gentlemen. „Ja, Sir, ich helfe Ihnen sehr gern.“
„Aber … ich muss bei Susannah bleiben“, protestierte Harry verzweifelt. „Werden Sie die Kugel herausschneiden, Doktor? Sitzt sie sehr tief?“
„Das werde ich Ihnen mitteilen, wenn ich die junge Dame genauer untersucht habe. Gehen Sie wenigstens aus dem Weg, Sir. Bitte, bringen Sie mir heißes Wasser, Ma’am. Was ich sonst noch benötige, habe ich in meiner Tasche. Bald werde ich Sie brauchen.“
„Gewiss, ich beeile mich“, versicherte Amelia. Nachdem sie Harry mitfühlend zugenickt hatte, lief sie aus dem Zimmer.
Angstvoll beobachtete Harry, wie Dr. Barnes den Druckverband von Susannahs Arm entfernte und die Wunde abtastete, aus der immer noch Blut sickerte. Ein paar Mal stöhnte sie leise. Doch sie schrie nicht. Einige Minuten später lächelte der Doktor. „Tapferes Mädchen … Was Sie getan haben, war ziemlich töricht, aber sehr couragiert. Jetzt müssen Sie noch einmal Ihren ganzen Mut aufbieten, denn ich muss die Kugel herausschneiden und dann die Wunde zunähen. Eine kleine Dosis Laudanum wird die Schmerzen lindern. Allerdings kann ich Ihnen nicht versprechen, dass Sie nichts spüren werden.“
„Tun Sie, was nötig ist …“ Flehend schaute sie Harry an. „Du wirst mich nicht verlassen? Und pass bitte auf, damit Mama nicht hereinkommt, bevor es vorbei ist. Sie würde es nicht ertragen, mich leiden zu sehen …“
„Ja, natürlich bleibe ich bei dir, Liebste. Soll ich deine Hand halten?“
In diesem Moment kehrte Amelia mit einem Kessel zurück.
„Ah, Miss Royston, danke“, sagte der Arzt. „Nun lege ich meine Instrumente in diese Schüssel. Gießen Sie bitte heißes Wasser darauf. Dann halten Sie die Schüssel in Bereitschaft, während ich die Wunde reinige. Lord Pendleton, Sie sorgen dafür, dass Miss Hampton sich nicht bewegt, wenn ich die Kugel herauslöse. Sonst würde das Messer zu tief in ihren Arm dringen und sie noch schwerer verletzen.“
„Ja“, würgte Harry hervor. Solche Operationen hatte er auf den
Weitere Kostenlose Bücher