Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
Rücken drehte sich um, wurde zu ***. Sie lächelte Monsieur Perdu an, erhob sich aus ihrer lesenden Stellung und kam nackt, ein Buch in der Hand, auf ihn zu.
»Bist du endlich bereit?«, fragte ***.
Monsieur Perdu schlug die Tür zu.
Nein.
3
N ein«, sagte Monsieur Perdu auch am nächsten Morgen. »Dieses Buch möchte ich Ihnen lieber nicht verkaufen.«
Sanft nahm er der Kundin Die Nacht aus der Hand. Unter all den vielen Romanen seines Bücherschiffs mit dem Namen Literarische Apotheke hatte sie sich ausgerechnet den berüchtigten Bestseller von Maximilian alias Max Jordan ausgesucht. Dem Ohrenschützerträger aus dem dritten Stock der Rue Montagnard.
Nun sah die Kundin den Buchhändler entgeistert an.
»Aber wieso denn nicht?«
»Max Jordan passt nicht zu Ihnen.«
»Max Jordan passt nicht zu mir?«
»Genau. Er ist nicht Ihr Typ.«
»Mein Typ. Aha. Pardon, ich muss Sie jetzt aber doch darauf hinweisen, dass ich auf Ihrem Bücherschiff ein Buch suche. Und keinen Ehemann, mon cher Monsieur.«
»Mit Verlaub: Was Sie lesen, ist auf lange Sicht entscheidender, als welchen Mann Sie heiraten, ma chère Madame.«
Sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
»Geben Sie mir das Buch, stecken Sie mein Geld ein, und wir können beide so tun, als sei es ein schöner Tag.«
»Es ist ein schöner Tag, vermutlich beginnt morgen der Sommer, aber dieses Buch bekommen Sie nicht. Nicht von mir. Darf ich Ihnen ein paar andere vorstellen?«
»Ach? Um mir einen uralten Klassiker anzudrehen, den Sie zu faul sind, über Bord zu werfen, wo er die Fische vergiften kann?« Sie war erst leiser, dann immer lauter geworden.
»Bücher sind doch keine Eier. Nur weil ein Buch ein paar Jahre älter ist, wird es nicht gleich schlecht.« Auch Monsieur Perdu hatte die Tonlage verschärft. »Und was heißt hier alt – Alter ist keine Krankheit. Alle altern, auch Bücher. Aber sind Sie, ist irgendwer weniger wert, weniger wichtig, nur weil es ihn etwas länger auf der Welt gibt?«
»Es ist doch lächerlich, wie Sie das hier alles verdrehen, nur weil Sie mir die blöde Nacht nicht gönnen.«
Die Kundin – oder vielmehr: Nicht-Kundin – warf ihr Portemonnaie in ihre edle Umhängetasche, riss am Reißverschluss, aber der verhakte sich.
Perdu spürte, dass etwas in ihm hochwallte. Ein wildes Gefühl, Zorn, Angespanntheit – nur, dass es nichts mit dieser Frau zu tun hatte. Dennoch konnte er seinen Mund nicht halten. Er ging ihr nach, während sie wütend durch den Bauch des Bücherschiffs stapfte, und rief ihr zwischen den langen Regalreihen im Dämmerlicht zu: »Sie haben die Wahl, Madame! Sie können gehen und auf mich spucken. Oder Sie können sich, genau von diesem Moment an, Tausende Stunden künftiger Qual ersparen.«
»Danke, bin schon dabei.«
»Indem Sie sich in den Schutz der Bücher begeben anstatt in unnütze Beziehungen mit Männern, die Sie so oder so nachlässig behandeln, oder in dummen Diätwahn, weil Sie dem einen Mann nicht dünn und dem anderen Mann nicht dumm genug sind.«
Sie blieb an der großen Fensterbucht zur Seine hin stehen und funkelte Perdu an. »Was erlauben Sie sich!«
»Bücher bewahren Sie vor Dummheit. Vor falscher Hoffnung. Vor falschen Männern. Sie kleiden Sie aus mit Liebe, mit Stärke, mit Wissen. Es ist Leben von innen. Wählen Sie. Buch oder …«
Bevor er den Satz beenden konnte, schob sich einer der Pariser Ausflugsdampfer vorbei. An der Reling eine Gruppe Chinesinnen unter Regenschirmen. Sie begannen, heftig zu fotografieren, als sie die berühmte schwimmende Literarische Apotheke von Paris sahen.
Der Dampfer schubste braungrüne Wasserdünen gegen das Ufer, das Bücherschiff schüttelte sich.
Die Kundin taumelte auf ihren schicken Absätzen. Doch statt ihr die Hand hinzuhalten, reichte Perdu ihr Die Eleganz des Igels.
Sie griff reflexartig nach dem Roman und hielt sich an ihm fest.
Perdu ließ nicht los, während er nun, beruhigend, zärtlich und nicht zu laut, mit der Fremden sprach.
»Sie brauchen ein Zimmer für sich allein. Nicht zu hell, mit einer jungen Katze, die Ihnen Gesellschaft leistet. Und dieses Buch, das Sie bitte langsam lesen. Damit Sie sich zwischendurch ausruhen können. Sie werden viel nachdenken und vermutlich auch weinen. Um sich. Um die Jahre. Aber es wird Ihnen danach bessergehen. Sie werden wissen, dass Sie jetzt nicht sterben müssen, auch wenn es sich so anfühlt, weil der Kerl nicht anständig zu Ihnen war. Und Sie werden sich wieder mögen und nicht
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