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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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und Swift zurückgeführt hat. Als Hauptfehler der Satiren aber wurde von ihm bezeichnet, dass sie nicht von Lebenskenntnis genährt worden waren, sondern von Belesenheit. »Eben die Engländer« , die oft von Huren redeten, »verführten den guten unschuldigen Friedrich Richter, der erst zwanzig Jahre später in Berlin die erste Öffentliche zu Gesicht bekam« dazu, die Leser schon »auf der Schwelle seines ersten Werks« in einem Gleichnis in »ein Haus einzuführen, worein er selber noch bis diese Stunde nie geblickt«.
    Gemeint sind mit dieser späten Selbstkritik die folgenden Sätze, mit denen das erste Kapitel der »Grönländischen Prozesse« beginnt: »Eine Priesterin der Venus, die ihre letzten Reize auf den weichen Altären ihrer Göttin geopfert, und deren Schönheit kein Käufer der Wollust eines verstohlnen Wunsches mehr würdigt, ist darum noch nicht auf dem Wege, gegen die alte Schande den Ruhm der Besserung einzutauschen und auf den sichtbaren Wink der neuen Hässlichkeit den Dienst des Vergnügens zu verlassen. Vielmehr wiederholt ihr Geist die Rolle des Körpers: denn sie wird aus einer Schülerin der Liebe die Lehrerin derselben, aus einer Hure eine Kupplerin; sie nährt sich von den Lastern, die sie nur lehren und nicht tun kann, sie beschaut ihr voriges Glück in der gelehrigen Wollust ihrer Eleven und erleichtert sich dadurch das schmerzliche Andenken ihres jetzigen Unwerts.«
    Mit dem Jubel, den das Erscheinen seiner ersten Veröffentlichung bei dem Neunzehnjährigen ausgelöst hatte, war es bald wieder vorbei. Zwar gelang ihm in harter Arbeit bald das zweite Bändchen, in dem er nun auch noch die Genies und die Rezensenten bespöttelte, aber die dafür kassierten 126 Taler waren der inzwischen wieder aufgelaufenen Schulden wegen nicht lange in seinen Händen, und das Hungern und Borgen begann erneut. Dass seine ersten Bücher zu Ladenhütern geworden waren, enttäuschte ihn selbstverständlich, hielt ihn aber nicht vom Schreiben weiterer Satiren ab. Da Voß ein drittes Bändchen nicht wagen wollte, begann nun die Suche nach einem anderen Verleger, die lange erfolglos blieb. Der steile Berg, den der junge Autor erstiegen hatte, erwies sich nur als ein Vorgebirge, hinter dem noch ein tiefes Hungertal lag.

Der Hofmeister
    Als dem verschuldeten Studenten Friedrich Richter von den Gläubigern mit Schuldhaft gedroht wurde, entschloss er sich, sein Studium, das er der Schriftstellerei wegen sowieso schon vernachlässigt hatte, ohne Abschluss zu beenden und aus der Stadt zu fliehen. Am Abend des 12. November 1784 verwandelte er sich durch einen vom Freund Oerthel geborgten Mantel, einen Hut und einen falschen Zopf in einen braven Bürger, verließ Leipzig in einer Postkutsche und konnte sich an der sächsischen Grenze mit dem Pass seines Freundes Hermann als Medizinstudent ausweisen, der auf dem Weg in die Heimat war. Am 16. November schrieb er aus Hof an Oerthel: »Ich schicke dir hier deinen Mantel, und bloß die kalten Winde, von denen ich mir gar keine Vorstellungen in Leipzig gemacht hatte, sind schuld, dass ich dir für ihn so wie für die Überziehhosen weit mehr danken muss, als ich anfangs nötig zu haben glaubte: ohne beide wäre ich – um ohne Hyperbel zu reden – sicher ganz hart gefroren bei den Meinigen angekommen, statt dass ich jetzt nur die rechte Hand erfroren habe. Ich kann kaum mit ihr mehr schreiben, wie du leicht sehen wirst. Kehret diese Unbeweglichkeit derselben, wie es bei allen erfrorenen Gliedern gewöhnlich ist, jeden Winter zurück: so bin ich gezwungen, nur im Sommer Satiren zu machen«  – denn diese aufzugeben, war er trotz aller Misserfolge vorläufig noch nicht bereit.
    Der Ortswechsel nach Hof änderte nichts an seiner Armut, sie wurde vielmehr noch bedrückender, weil er in dem Zusammenleben mit der Familie wenig Ruhe zum Schreiben fand. Seine Mutter hatte ihr marodes Elternhaus aufgeben müssen und wohnte nun mit ihren Söhnen sehr beengt. Ihr zweitältester Sohn Adam hatte sich aus Verzweiflung über das häusliche Elend als Soldat anwerben lassen, er diente in der Armee Ansbach-Bayreuths. Trotz dieser armseligen Lebensverhältnisse, die später in heiterer Verfremdung im Roman »Siebenkäs« vorkommen sollten, entstanden in Hof weitere Satiren, und es wurden viele Briefe an Verleger in Leipzig, Dresden, Berlin und Riga geschrieben, die alle eine absagende Antwort bekamen, bis schließlich eine kleine Verlagsbuchhandlung in Gera Interesse bekundete und

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