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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Akt«, meinte der Mann. »Sie haben es als Verstoß gegen die Bürgerrechte verhandelt, in der Zeitung stand etwas darüber.«
    »Da oben in Maine hab ich mal gezeltet«, sagte Dick, und seine Stimme klang zu nah, als würde er ihr direkt ins Ohr sprechen.
    »Verstoß gegen die Bürgerrechte?«, fragte Pam. »Ist er schuldig gesprochen worden?«
    »Ja, ist er.«
    »Und das bedeutet?«, fragte Pam. »Muss er ins Gefängnis?« Was hatte Bob ihr gleich wieder erzählt? Zach weinte allein in seinem Zimmer? Ein Schreck durchzuckte sie: Bob war nicht zu ihrer Weihnachtsparty gekommen. »Welchen Monat haben wir?«, fragte sie.
    Die Gastgeberin lachte. »So geht es mir auch ständig, Pamela. Manchmal weiß ich nicht mal mehr das Jahr . Wir haben Februar.«
    »Nur wenn er gegen die Auflagen verstößt«, sagte der Mann, »die im Kern darauf abzielen, ihn von der Moschee fernzuhalten und die somalische Gemeinde vor weiteren Übergriffen zu schützen. Ich denke, der Justiz ging es vor allem darum, ein Zeichen zu setzen.«
    »Dieses Maine ist schon ein sonderbarer Staat«, sinnierte jemand anderer. »Immer für eine Überraschung gut.«
    »Sehen Sie«, sagte die Frau mit den ausladenden Hüften, die den Mann mit den Hängebacken so unverfroren angesehen hatte. Sie wischte sich mit ihrer großen weißen Serviette gründlich den Mund, und alle mussten höflich warten, um zu hören, was sie zu sagen hatte. Sie sagte: »Natürlich war das ein aggressiver Akt seitens dieses jungen Mannes, keine Frage. Aber die Menschen haben Angst.« Sie setzte beide Fäuste ruhig auf das Tischtuch und schaute in die Runde, nach links, dann nach rechts. »Erst heute Morgen war ich bei Gracie Mansion spazieren, und da kreisten Polizeihubschrauber über dem Fluss, und auf dem Wasser waren Patrouillenboote unterwegs, und ich dachte, oh, mein Gott, es kann uns jederzeit wieder treffen.«
    »Es ist nur eine Frage der Zeit«, sagte jemand.
    »Natürlich. Am besten, man denkt gar nicht drüber nach und lebt sein Leben.« Ein Mann in der Nähe der Südstaatenlady sagte das in abfälligem Ton.
    »Die Reaktionen von Menschen auf eine Krise haben mich immer schon fasziniert«, bemerkte Dick.
    Aber Pam war jetzt abgelenkt von dem hohlen Glanz des Abends; Zacharys dunkle Gegenwart – oh, Zachary, so mager, mit diesen dunklen Augen, was war er für ein trauriger süßer Junge gewesen! – füllte plötzlich den Raum, und sie allein spürte es, sie, seine Tante . Und sie saß da und verleugnete ihn. Ihr Mann würde sie nicht verraten, das wusste sie; sie vergewisserte sich mit einem Blick, dass er angeregt mit seiner Tischnachbarin plauderte. Ganz allein saß sie zwischen all diesen Leuten, und vor ihr wurde die Burgess-Familie lebendig. »Oh«, sagte sie beinahe laut bei der Erinnerung daran, wie sie kurz nach der Geburt hinaufgefahren waren, um Zach zu besuchen, das seltsamste Baby, das sie je gesehen hatte. Und die arme Susan, ein stilles Wrack – er wollte nicht trinken, irgend so etwas. Nach einer Weile waren Pam und Bobby dann nicht mehr so oft hingefahren, es ist einfach zu deprimierend, hatte Pam gesagt, und selbst Bobby war ihrer Meinung gewesen; Helen natürlich erst recht. Pam sah zu, wie ihr der Salatteller weggenommen und gegen ein Pilzrisotto ausgetauscht wurde. »Vielen Dank«, sagte sie, weil sie sich immer bei Bedienungen bedankte. Zu Beginn ihrer neuen Ehe, als diese Welt ihr noch fremd war, hatte sie dem Mann, der ihnen bei einer Abendeinladung wie der heutigen die Tür öffnete, die Hand gegeben und gesagt: »Ich bin Pam Carlson«, und er hatte ein leicht irritiertes Gesicht gemacht und sie gefragt, ob er ihr den Mantel abnehmen dürfe. Das war der Butler, hatte ihre Freundin Janice sie aufgeklärt. Sie hatte es natürlich Bobby erzählt, und Bobby hatte wunderbar reagiert, wie immer: sein gleichmütiges Achselzucken.
    »Ich lese gerade ein ganz erstaunliches Buch einer somalischen Autorin«, sagte jemand, und Pam rief: »Oh, das möchte ich auch lesen.« Der Klang ihrer eigenen Stimme half ihr, Zacharys Gegenwart zu verscheuchen. Aber, ach, jetzt kam die Wehmut – sie hielt die Hand über ihr Weinglas, um weiteres Nachschenken zu verhindern – , ihr früheres Leben, zwanzig Jahre mit den Burgess, so ein Leben lebte man nicht so lange Zeit und streifte es dann einfach ab! (Sie hatte geglaubt, es zu können.) Es war nicht nur Zach, es war Bob, sein freundliches, offenes Gesicht, die blauen Augen mit den tiefen Lachfalten drum herum. Bis an

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