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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Anpassungsfähigkeit, ihre – nie nachlassende – Lust auf Veränderung. Es war damals noch ein ganz anderes New York gewesen, natürlich, und natürlich hatten sie und Bob nicht viel Geld gehabt. Aber Pams Entschlossenheit war letztlich immer stärker gewesen als alle Enttäuschungen, und auch als der Reiz ihrer ersten Wohnung – die so klein war, dass sie das Geschirr in der Badewanne spülen mussten – sich abgenutzt hatte und die U-Bahn sich ganz real als beängstigend erwies, war Pam trotzdem mit ihr gefahren, hatte das grauenhafte Kreischen bei der Einfahrt in die Stationen stoisch über sich ergehen lassen.
    Ihr Tischnachbar stellte sich ihr als Dick vor. »Dick«, wiederholte Pam, und fürchtete im selben Augenblick, es könnte nach einer Anspielung geklungen haben. »Wie nett, Sie kennenzulernen«, fügte sie schnell hinzu. Er nickte übertrieben höflich und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Pam war – streng genommen – beschwipst. Da sie nicht mehr so viel aß wie früher, da sie älter wurde, was Auswirkungen auf den Stoffwechsel hatte, vertrug sie nicht mehr so viel. Ihr Wunsch, Dick diesen Sachverhalt zu erläutern, machte ihr erst klar, dass sie beschwipst, vielleicht sogar schon betrunken war, deshalb lächelte sie ihn nur an. Er fragte, diesmal ohne sich hinter einer übertriebenen Geste zu verstecken, ob sie einer Arbeit außer Haus nachging, und sie erzählte ihm von ihrem Teilzeitjob und dass sie früher in einem Labor gearbeitet habe, wobei sie vielleicht nicht den Eindruck einer Wissenschaftlerin machte, die Leute hätten ihr schon oft gesagt, sie mache nicht den Eindruck einer Wissenschaftlerin, was immer das hieß, und wenn sie nicht den Eindruck einer Wissenschaftlerin mache, liege das womöglich daran, dass sie keine Wissenschaftlerin im eigentlichen Sinne war, aber sie sei einmal die Assistentin eines Wissenschaftlers gewesen, eines Parasitologen …
    Dick war Psychiater. Er zog freundlich die Augenbrauen hoch und legte sich die Serviette auf den Schoß. »Na, umso besser«, sagte Pam. »Dann mal los. Analysieren Sie mich. Tun Sie sich keinen Zwang an.«
    Sie winkte noch einmal ihrem Mann zu, der fast am Ende der langen Tafel saß, neben der Südstaatenlady mit der zugeknöpften Bluse (wie hieß sie gleich wieder?), während Dick erklärte, dass er nicht so sehr die Menschen an sich als vielmehr ihre Wünsche analysiere. Er arbeite als Berater für Marketingfirmen. »Tatsächlich?«, fragte Pam. An einem anderen Abend hätte eine solche Offenbarung vielleicht spontan die alte Furcht in ihr geweckt: Ich lebe das falsche Leben. An einem anderen Abend hätte sie diesen Dick möglicherweise an den Eid des Hippokrates erinnert und ihn beschuldigt, seine ärztlichen Fähigkeiten dazu einzusetzen, Menschen zum Geldausgeben zu verführen, aber es war ein angenehmer Abend, und gewisse Aspekte durften vielleicht auch einmal hintanstehen; anscheinend konnte nur eine begrenzte Zahl von Anlässen ihren Adrenalinspiegel in die Höhe treiben, und der vorliegende zählte eindeutig nicht dazu, es ging ihr nämlich, wie sie jetzt feststellte, komplett am Allerwertesten vorbei, auf welches Ziel Dick seine Karriere ausgerichtet hatte, und als er sich nun der Person an seiner anderen Seite zuwandte, ließ Pam die Blicke in die Runde schweifen und malte sich aus, was einige dieser Leute im Bett so trieben (oder nicht trieben). Sie meinte die verstohlenen Blicke eines Mannes mit Hängebacken auf eine füllige Dame zu bemerken, die diese mit unverfrorener Stetigkeit erwiderte, und Pam fand den Gedanken aufregend, dass die Menschen ohne Rücksicht auf ihr Äußeres von dem Verlangen bestimmt waren, sich unbekleidet aneinanderzuklammern – wodurch die biologische Anziehungskraft im Grunde ad absurdum geführt wurde, denn diese Damen hatten das gebärfähige Alter ja längst hinter sich … Doch, Pam – inzwischen beim etwas glibberigen Salat angelangt – hatte entschieden zu viel getrunken.
    »Moment mal, wie war das?«, sagte sie und legte die Gabel hin, denn weiter oben am Tisch hatte jemand etwas von einem Schweinekopf gesagt, der in irgendeiner Kleinstadt in Maine in eine Moschee geflogen war.
    Der Sprecher, ein Mann, den Pam noch nie gesehen hatte, wiederholte es für sie. »Ja, davon hab ich gehört«, sagte sie und griff wieder nach ihrer Gabel; sie hatte nicht vor, Anspruch auf Zachary zu erheben. Aber in ihrem Hinterkopf flammte Hitze auf, als wäre Gefahr im Anzug.
    »Ein ungeheuer aggressiver

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