Das Leben und das Schreiben
Stunden, um mir den Arbeitsplatz einzurichten, doch um vier Uhr schob sie mich durch die Küche und die neu eingebaute Rampe hinunter in den hinteren Flur. Dort hatte sie mir ein wunderschönes Nest bereitet: Laptop und Drucker miteinander verbunden, dazu eine Schreibtischlampe, das Manuskript (mit den vor einem Monat erstellten Notizen ordentlich obenauf), Stifte, Nachschlagewerke. In einer Ecke des Schreibtisches stand ein gerahmtes Foto unseres jüngsten Sohnes, das sie Anfang des Sommers aufgenommen hatte.
»Ist es so gut?«, fragte sie.
»Es ist herrlich«, sagte ich und nahm sie in den Arm. Und es war herrlich . So wie sie.
Die ehemalige Tabitha Spruce aus Oldtown, Maine, weiß genau, wann ich zu viel arbeite, aber sie weiß auch, dass mich die Arbeit manchmal rausreißen kann. Sie schob mich vor den Tisch, gab mir einen Kuss auf die Schläfe und ließ mich dann dort, damit ich herausfinden konnte, ob ich noch etwas zu sagen hatte. Das hatte ich tatsächlich … aber ohne ihr intuitives Verständnis, dass die Zeit reif war, hätte das vielleicht keiner von uns gemerkt.
Diese erste Sitzung dauerte eine Stunde und vierzig Minuten, die längste Zeit, die ich seit dem Unfall mit Smiths Van aufrecht sitzend verbrachte. Am Ende lief mir der Schweiß in Strömen herunter, und ich war fast zu erschöpft, um aufrecht im Rollstuhl zu sitzen. Die Schmerzen in der Hüfte waren fast apokalyptisch. Die ersten fünfhundert Wörter waren fürchterlich Angst einflößend, wie sonst nichts – mir war, als hätte ich noch nie in meinem Leben etwas geschrieben. Ich schien meine alte Trickkiste verloren zu haben. Wie ein uralter Mann in einem reißenden Strom, der sich seinen Zickzackweg von einem nassen Stein zum nächsten bahnt, tastete ich mich von einem Wort zum nächsten vor. Inspiration gab es an diesem ersten Tag nicht, nur eine Art störrische Entschlossenheit und die Hoffnung, dass es mit der Zeit besser werden würde, wenn ich durchhielt.
Tabby brachte mir eine Pepsi, kalt, süß und gut – und als ich sie trank, sah ich mich um und musste trotz der Schmerzen lachen. Carrie und Brennen muss Salem hatte ich im Wäscheraum eines gemieteten Trailers geschrieben. Der hintere Flur unseres Hauses in Bangor hatte eine gewisse Ähnlichkeit damit, sodass ich das Gefühl hatte, wieder am Ausgangspunkt angelangt zu sein.
An jenem Nachmittag gab es keinen wundersamen Durchbruch, aber den altbekannten Zauber, der jedem Schaffensversuch innewohnt. Ich weiß nur, dass die Wörter nach einer Weile etwas schneller flossen, und dann noch etwas schneller. Meine Hüfte tat noch immer weh, mein Rücken schmerzte, mein Bein auch, aber diese Schmerzen traten langsam immer mehr in den Hintergrund. Ich gewann die Oberhand. Noch spürte ich keine Freude, kein Hochgefühl, nicht an diesem Tag, aber ich hatte das fast ebenso gute Gefühl, etwas geschafft zu haben. Ich hatte wieder angefangen, das war schon etwas. Die Angst ist immer am größten, bevor man anfängt.
Danach kann es nur besser werden.
7
Bei mir ist es seither stetig besser geworden. Seit jenem schwülen Nachmittag im hinteren Flur bin ich noch zweimal am Bein operiert worden, ich hatte eine ziemlich schlimme Entzündung und muss noch immer ungefähr hundert Tabletten pro Tag nehmen, aber der externe Fixateur ist jetzt weg, und ich schreibe weiter. An manchen Tagen ist das eine ganz schöne Plackerei. An anderen – und das werden immer mehr, so wie das Bein verheilt und sich der Kopf an die alte Routine gewöhnt – spüre ich wieder diese freudige Erregung, dieses Triumphgefühl, wenn ich die richtigen Worte gefunden und in die richtige Reihenfolge gebracht habe. Es ist wie das Abheben in einem Flugzeug: Man ist am Boden, am Boden, am Boden … und dann ist man oben, schwebt auf einem Zauberteppich aus Luft und fühlt sich wie ein Herrscher über all das, was man erblickt. Das macht mich glücklich, denn dazu wurde ich geschaffen. Ich bin noch immer nicht besonders kräftig, schaffe weniger als die Hälfte von dem, was ich früher an einem Tag getan habe, aber es hat gereicht, um dieses Buch zu beenden, und dafür bin ich dankbar. Schreiben hat mir nicht das Leben gerettet – das waren das Können von Dr. David Brown und die liebevolle Pflege meiner Frau -, aber es hat die altbekannte Wirkung: Es erhellt und bereichert mein Leben.
Beim Schreiben geht es nicht darum, Geld zu verdienen, berühmt zu werden, Verabredungen zu haben, jemanden ins Bett zu bekommen oder
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