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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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achtzehn Monate später nur zur Hälfte fertig. Der Grund war, dass ich es im Februar oder März 1998 zur Seite gelegt hatte – ich wusste nicht, wie und ob ich überhaupt weitermachen sollte. Romane zu schreiben machte mir eigentlich genauso viel Spaß wie immer, aber jedes Wort des Sachbuches war eine Art Folter für mich. Seit Das letzte Gefecht war Das Leben und das Schreiben das erste Buch, das ich unvollendet zur Seite legte, und es blieb sehr viel länger in der Schublade.
    Im Juni 1999 entschied ich, das vermaledeite Buch übers Schreiben im Laufe des Sommers zu beenden – sollten Susan Moldow und Nan Graham bei Scribner entscheiden, ob es gut war oder nicht, dachte ich. Auf das Schlimmste vorbereitet, las ich das Manuskript durch, und merkte, dass es mir irgendwie gefiel. Auch der Rest des Weges schien nun deutlich vorgezeichnet. Den Memoirenteil (»Lebenslauf«), in der ich versuche, einige der Situationen und Umstände zu schildern, durch die ich zu dem Schriftsteller wurde, der ich heute bin, hatte ich bereits fertig; auch die handwerklichen Fragen waren abgedeckt, wenigstens die, die mir am wichtigsten erschienen. Was noch fehlte, war der Hauptteil »Über das Schreiben«, in dem ich einige der Fragen beantworten wollte, die mir bei Seminaren und Vorträgen gestellt werden, aber auch die Fragen, die ich mir immer wünsche – nämlich nach der Sprache.
    In seliger Unwissenheit, dass ich in weniger als achtundvierzig Stunden ein kleines Treffen mit Bryan Smith (den Rottweiler Bullet nicht zu vergessen) haben sollte, setzte ich mich am Abend des 17. Juni an den Esszimmertisch und listete alle Fragen und Punkte auf, die ich angehen und beantworten wollte. Am 18. verfasste ich die ersten vier Seiten des Kapitels »Über das Schreiben«. Und an dem Punkt befand sich das Manuskript, als ich mir Ende Juli vornahm, mich wieder an die Arbeit zu machen … oder es wenigstens zu versuchen.
    Ich wollte nicht wieder an die Arbeit. Ich hatte starke Schmerzen, konnte das rechte Knie nicht beugen und war an das Gehgestell gefesselt. Ich konnte mir nicht vorstellen, längere Zeit am Schreibtisch zu sitzen, nicht einmal im Rollstuhl. Die katastrophal gebrochene Hüfte machte das Sitzen nach ungefähr vierzig Minuten zu einer Tortur; nach eineinviertel Stunden ging gar nichts mehr. Hinzu kam das Buch als solches, das mir beängstigender als je zuvor erschien: Wie sollte ich über Dialoge, Figuren und die Suche nach einem Agenten schreiben, wenn mein dringlichstes Anliegen war, wie lange es noch bis zur nächsten Dosis Percocet dauerte?
    Gleichzeitig hatte ich jedoch das Gefühl, einen Punkt erreicht zu haben, an dem mir keine Wahl blieb. Ich hatte mich schon öfter in furchtbaren Situationen befunden, die ich mithilfe des Schreibens überwunden hatte, wenigstens hatte mir die Arbeit geholfen, die Probleme für eine Weile zu vergessen. Vielleicht half es auch diesmal. Angesichts meiner starken Schmerzen und körperlichen Untauglichkeit schien dieser Gedanke lächerlich, doch diese Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte unermüdlich und unnachgiebig, Time Has Come Today , um mit den Chambers Brothers zu sprechen. Es sei so weit. Ich muss dieser Stimme zwar nicht unbedingt gehorchen, aber es fällt mir schwer, ihr nicht zu glauben.
    Am Ende war es Tabby, die das Urteil fällte, wie sie es so oft in entscheidenden Momenten in meinem Leben getan hat. Ich sage mir gern, dass ich das auch von Zeit zu Zeit für sie tue, weil ich glaube, dass es bei einer Ehe auch darum geht, die entscheidende Stimme abzugeben, wenn sich der andere einfach nicht entschließen kann.
    Meine Frau ist immer die Erste, die sagt, du arbeitest zu viel, tritt mal kürzer, und lass das verdammte PowerBook mal eine Zeit lang in Ruhe, Steve. Als ich ihr an diesem Morgen im Juli sagte, ich wolle mich wieder an die Arbeit setzen, rechnete ich mit einer Predigt. Aber sie fragte mich stattdessen, wo ich mich hinsetzen wolle. Ich antwortete, ich wisse es nicht, hätte mir noch keine Gedanken darüber gemacht.
    Also dachte sie darüber nach. Dann sagte sie: »Ich kann dir im hinteren Flur vor der Vorratskammer einen Tisch aufstellen. Da sind eine Menge Steckdosen, du kannst deinen Mac, den kleinen Drucker und einen Ventilator anschließen.« Der Ventilator war sicherlich ein Muss – es war ein furchtbar heißer Sommer. Als ich mich wieder an die Arbeit setzte, waren es draußen 35 Grad. Im hinteren Flur war es nicht viel kühler.
    Tabby brauchte ein paar

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