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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kackte, der auf der Veranda unserer Wohnung in der Sandfort Street stand, waren beide Schätzchen.

25
     
    Meine Mutter wusste, dass ich Schriftsteller werden wollte (wie hätte sie das bei den ganzen Absagen an dem Nagel in meiner Schlafzimmerwand auch übersehen können?), aber sie schlug mir vor, eine Ausbildung als Lehrer zu machen, »damit du auf etwas zurückgreifen kannst«.
    »Vielleicht willst du ja heiraten, Stephen, aber so eine Dachstube an der Seine ist nur romantisch, wenn man Junggeselle ist«, sagte sie einmal. »Es ist kein Ort, um eine Familie zu gründen.«
    Ich folgte ihrem Ratschlag, schrieb mich im College of Education der Universität von Maine ein, und kam vier Jahre später mit einem Lehrerabschluss wieder heraus … so wie ein Golden Retriever mit einer toten Ente in der Schnauze aus einem Teich springt. Es war nichts damit anzufangen. Ich fand keine Arbeit als Lehrer und fing deshalb in der Wäscherei New Franklin für nur wenig mehr Lohn an, als ich vier Jahre zuvor bei Worumbo Mills and Weaving verdient hatte. Ich zog mit meiner Familie von einer Dachstube in die nächste, von denen man jedoch nicht auf die Seine, sondern auf einige der weniger appetitlichen Straßen von Bangor herunterblickte, diejenigen, in denen die Streifenwagen der Polizei immer Samstag nachts um zwei aufzutauchen schienen.
    In der Wäscherei musste ich nie Wäsche von Privatkunden waschen, es sei denn, es handelte sich um einen von der Versicherung bezahlten »Feuerauftrag« (die Wäsche dieser Feueraufträge sah meistens vollkommen normal aus, stank aber wie gegrilltes Affenfleisch). In erster Linie be- und entlud ich die Maschinen mit Bettbezügen aus den Motels der Küstenstädte von Maine und mit Tischtüchern aus den Restaurants der Küstenstädte von Maine. Die Tischtücher waren ganz besonders abscheulich. Wenn Touristen in Maine essen gehen, bestellen sie normalerweise Muscheln und Hummer. Meistens Hummer. Wenn die Tischdecken, auf denen diese Köstlichkeiten serviert werden, bei mir eintrafen, stanken sie bis zum Himmel und wimmelten oft nur so von Maden. Wenn man dann die Waschmaschinen füllte, versuchten die Maden, an den Armen hochzukriechen, so als wüssten die kleinen Biester, dass sie nun gekocht werden sollten. Ich dachte, irgendwann würde ich mich an sie gewöhnen, tat ich aber nie. Die Maden waren schlimm; der Geruch von sich zersetzendem Muschel- und Hummerfleisch war noch schlimmer. Warum sind die Menschen solche Schmutzfinken?, fragte ich mich, wenn ich die lebenden Laken von Testa’s of Bar Harbor in meine Maschinen füllte. Warum sind die Menschen solche verdammten Schmutzfinken?
    Am Allerschlimmsten waren Bettwäsche und -laken aus dem Krankenhaus. Im Sommer krabbelten ebenfalls Maden darauf herum, doch die hatten sich an Blut gelabt und nicht an Hummerfleisch und Muschelgallert. Potenziell infektiöse Kleidung, Laken und Bezüge wurden in sogenannte »Pestbeutel« gesteckt, die sich bei Kontakt mit heißem Wasser auflösten. Jedoch galt Blut in der damaligen Zeit als nicht besonders gefährlich. Oft fanden sich kleine Beigaben in der Krankenhauswäsche; die Lieferungen glichen bösartigen Cracker-Jack-Karamellpopcorn- und -erdnusspackungen mit seltsamen Geschenken. Einmal fand ich eine Bettpfanne aus Edelstahl, ein anderes Mal eine Chirurgenschere (für die Bettpfanne hatte ich keine Verwendung, aber die Schere war in der Küche verdammt praktisch). Ernest »Rocky« Rockwell, mein Kollege, fand zwanzig Dollar in einer Lieferung des Eastern Maine Medical Center und verabschiedete sich mittags, um einen zu trinken. (Den Feierabend nannte Rocky immer: »Slitz-Bier-Zeit«.)
    Einmal hörte ich ein komisches Klackern aus einer der dreikesseligen Washex-Maschinen, für die ich zuständig war. Ich drückte auf den Notfallknopf, weil ich dachte, bei dem verfluchten Teil flöge der Motor auseinander oder so was in der Art. Dann öffnete ich die Tür und holte ein riesiges Knäuel von tropfenden Ärztekitteln und grünen Kappen heraus, wobei ich bis auf die Knochen nass wurde. Darunter, in der siebähnlichen inneren Manschette des mittleren Kessels, lag ein komplettes menschliches Gebiss. Mir kam in den Sinn, dass es sich als Halskette bestimmt interessant machen würde, dann schöpfte ich es heraus und warf es in den Müll. Meine Frau hat sich im Laufe der Jahre schon einiges von mir gefallen lassen, aber so weit ging ihr Humor dann doch nicht.

26
     
    Finanziell gesehen sind zwei Kinder für ein

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