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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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namens »Manchmal kommen sie wieder« (Originaltitel: »Sometimes They Come Back«) geschickt. Ich war davon ausgegangen, dass sich diese Geschichte nicht verkaufen würde, weil sie sehr lang war. Der Scheck war über 500 Dollar ausgestellt, die größte Summe, die ich je erhalten hatte. Plötzlich konnten wir uns nicht nur einen Besuch beim Arzt und eine Flasche ROSA SAFT leisten, sondern auch ein nettes Sonntagabendessen. Und als die Kinder eingeschlafen waren, machten Tabby und ich es uns gemütlich, wenn ich mich recht erinnere.
    Ich glaube, wir waren in diesen Tagen sehr glücklich, auch wenn wir eine Menge Angst hatten. Wir waren selbst fast noch Kinder (wie man so sagt), und das Gemütlichmachen lenkte uns von den bösen roten Zahlen ab. So gut wir konnten, sorgten wir füreinander, für die Kinder und uns selbst. Tabby marschierte mit ihrer rosa Uniform zu Dunkin’ Donuts und rief die Bullen, wenn mal wieder Besoffene, die auf einen Kaffee hereingekommen waren, zu randalieren begannen. Ich reinigte Bettbezüge aus Motels und schrieb weiterhin kurze Horrorfilme.

27
     
    Als ich mit Carrie anfing, war ich als Englischlehrer in der nahe gelegenen Stadt Hampden angestellt. Ich verdiente 6400 Dollar im Jahr, was mir nach dem Verdienst von eins sechzig die Stunde in der Wäscherei unvorstellbar erschien. Hätte ich es einmal durchgerechnet und die Zeit mit einbezogen, die für Konferenzen nach Schulschluss und das Korrigieren zu Hause draufging, hätte ich vielleicht gemerkt, dass die Summe in der Tat mehr als vorstellbar war und unsere Situation schlimmer als je zuvor. Im tiefen Winter 1973 wohnten wir in einem Trailer von doppelter Breite in Hermon. (Später einmal, als ich um ein Interview im Playboy gebeten wurde, nannte ich Hermon »den Arsch der Welt«. Die Leute aus Hermon waren stinksauer. Hiermit entschuldige ich mich; Hermon ist wohl eher die Achselhöhle der Welt.) Ich fuhr einen Buick mit Getriebeproblemen, die zu reparieren wir kein Geld hatten. Tabby arbeitete noch immer bei Dunkin’ Donuts, und wir hatten kein Telefon. Wir konnten schlicht und einfach nicht das Geld für die monatliche Gebühr aufbringen. Tabby versuchte sich in jenen Tagen an fiktiven Beichten für Frauenzeitschriften (Sachen wie: »Zu hübsch, um noch Jungfrau zu sein«) und bekam postwendend Antworten aus der Kategorie: »Nicht ganz das Richtige für uns, aber versuchen Sie es erneut«. Sie hätte den Durchbruch geschafft, wenn ihr jeden Tag ein oder zwei Stunden mehr zur Verfügung gestanden hätten, aber sie musste sich mit den üblichen vierundzwanzig Stunden begnügen. Außerdem nutzte sich der für sie anfänglich vielleicht vorhandene Unterhaltungswert der berühmten Zauberformel für Magazinlebensbeichten (genannt die drei R’s: Rebellion, Ruin, Rettung) schnell ab.
    Mit meinen Geschichten war ich auch nicht sonderlich erfolgreich. In den Männerzeitschriften wurden Horror, Science-Fiction und Krimis durch zunehmend anschauliche Sexstorys ersetzt. Das war die eine Sache, aber die weitaus größere Sache war, dass mir zum ersten Mal in meinem Leben das Schreiben schwerfiel . Das Problem war mein Lehrerjob. Ich mochte meine Kollegen und fand die Kinder klasse – selbst die vom Schlage Beavis und Butt -Head aus dem Kurs »Englisch im Alltag« konnten interessant sein -, doch freitagnachmittags fühlte ich mich meistens, als wären die ganze Woche Überbrückungskabel an meinen Kopf geklemmt gewesen. Wenn ich jemals nah daran war, meine Zukunft als Schriftsteller an den Nagel zu hängen, dann damals. Ich konnte mir vorstellen, wie ich in dreißig Jahren aussehen würde: Ich trug immer noch den schäbigen Tweedmantel mit den Flicken an den Ellenbogen, meine Wampe vom vielen Biertrinken würde über die Khakis von Gap quellen, ich hätte einen Raucherhusten von zu vielen Schachteln Pall Mall, dickere Brillengläser, noch mehr Schuppen … und in meiner Schreibtischschublade lägen sechs oder sieben nicht abgeschlossene Manuskripte, die ich von Zeit zu Zeit, meistens in besoffenem Zustand, herausnähme, um an ihnen herumzudoktern. Wenn man mich fragen würde, was ich in meiner Freizeit machte, würde ich den Leuten erzählen, dass ich ein Buch schriebe – was sollte ein Lehrer für kreatives Schreiben, der auch nur einen Funken Selbstachtung hatte, in seiner Freizeit auch sonst machen? Und ich würde mich sicherlich selbst belügen und mir einreden, dass ich noch Zeit hätte, dass es noch nicht zu spät sei, dass es Autoren

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