Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
gebe, die erst mit fünfzig, ach, mit sechzig anfingen zu schreiben. Wahrscheinlich gab es die massenweise.
    In den zwei Jahren, die ich in Hampden unterrichtete (und in den Sommerferien in der Wäscherei New Franklin Laken wusch), war meine Frau der entscheidende Faktor. Hätte sie mir damals zu verstehen gegeben, dass es reine Zeitverschwendung sei, auf der Veranda unseres gemieteten Hauses in der Pond Street oder im Wäscheraum unseres gemieteten Trailers in der Klatt Road in Hermon Geschichten zu schreiben, hätte mich wohl ziemlich der Mut verlassen. Nie äußerte Tabby jedoch auch nur ein Wort des Zweifels. Auf ihre Unterstützung konnte ich mich verlassen. Sie gehörte zu den wenigen guten Dingen, mit denen ich rechnen konnte. Und wann immer ich einen Romanerstling sehe, der einer Ehefrau (oder einem Ehemann) gewidmet ist, lächle ich in mich hinein und denke, da weiß jemand Bescheid. Schreiben ist ein einsamer Job. Wenn man jemanden hat, der an einen glaubt, macht das eine Menge aus. Derjenige muss keine großen Worte darum machen. Der Glaube allein reicht meistens schon.

28
     
    Als mein Bruder Dave zum College ging, arbeitete er im Sommer als Hausmeister in der Brunswick High, seiner alten Schule. Einmal verdiente auch ich ein paar Wochen im Sommer dort mein Geld. Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr das war, doch damals kannte ich Tabby noch nicht, hatte aber bereits zu rauchen angefangen. Das bedeutet, dass ich so um die neunzehn, zwanzig gewesen sein muss. Ich wurde mit einem Kerl namens Harry eingeteilt, der einen grünen Drillich und einen großen Schlüsselbund trug und humpelte (dieser Harry besaß jedoch Hände statt Haken). Einmal erzählte mir Harry in der Mittagspause, wie es damals war, als die Amerikaner auf der Insel Tarawa einem banzai Selbstmordangriff der Japaner gegenüberstanden; wie die japanischen Offiziere mit ihren Schwertern aus Kaffeedosen von Maxwell House herumfuchtelten und die total zugekifften Rekruten hinter ihnen grölten und nach verbranntem Mohn rochen. Der konnte erzählen, mein Kumpel Harry.
    Eines Tages sollten wir die Rostflecken von den Wänden im Duschraum der Mädchen schrubben. Mit der Neugierde eines jungen Moslems, der irgendwie tief in die Gemächer der Frauen gelangt ist, sah ich mich in der Umkleidekabine um. Sie ähnelte der Umkleidekabine für Jungen … und doch war sie vollkommen anders. Es gab keine Pissoirs, klar, und an den gefliesten Wänden hingen zwei Metallbehälter zusätzlich – ohne Aufschrift, aber für Papierhandtücher hatten sie die falsche Größe. Ich fragte ihn, was da drin war. »Muschi-Pfropfen«, sagte Harry, »für die bestimmten Tage im Monat.«
    Mir fiel auch auf, dass an den Duschen, anders als bei den Jungen, u-förmige Gestänge aus Chrom mit rosa Duschvorhängen aus Plastik befestigt waren. Hier konnte man offensichtlich abgeschirmt duschen. Ich teilte diesen Gedanken Harry mit, und er zuckte die Achseln. »Schätze, Mädchen sind etwas schüchterner, wenn sie nichts anhaben.«
    Daran erinnerte ich mich eines Tages, als ich in der Wäscherei arbeitete, und ich sah den Anfang einer Geschichte vor mir: Mädchen duschen in einer Umkleidekabine, in der es keine u-förmigen Gestänge, rosa Plastikvorhänge und abgeschirmte Privatsphäre gibt. Eins der Mädchen bekommt seine Periode. Nur weiß sie gar nicht, was mit ihr passiert, und die anderen Mädchen fangen angeekelt, entsetzt, belustigt an, sie mit Binden zu bewerfen. Oder mit Tampons, die Harry Muschi-Pfropfen genannt hatte. Das Mädchen fängt an zu schreien. Das viele Blut! Sie glaubt, sterben zu müssen, sie glaubt, dass die anderen sich über sie lustig machen, obwohl sie gerade verblutet … das Mädchen reagiert … sie wehrt sich … Bloß wie?
    Einige Jahre zuvor hatte ich einen Artikel im Magazin Life gelesen, in dem argumentiert wurde, das angebliche Treiben von Poltergeistern sei zumindest manchmal möglicherweise auf ein telekinetisches Phänomen zurückzuführen – Telekinese sei die Fähigkeit, Gegenstände nur mittels Gedanken zu bewegen. Es lägen Berichte vor, die darauf schließen ließen, dass junge Menschen möglicherweise über solche Kräfte verfügten, hieß es, besonders heranwachsende Mädchen, die gerade ihre erste …
    Peng! Zwei voneinander unabhängige Einfälle, jugendliche Grausamkeit und Telekinese, hatten sich getroffen, und ich hatte eine Idee. Ich blieb jedoch auf meinem Posten an der Washex 2, lief nicht mit den Armen wedelnd und

Weitere Kostenlose Bücher