Das Leben und das Schreiben
vielleicht noch andere Rottöne wahr. (Für farbenblinde Empfänger hat die rote Tischdecke die Farbe von dunkelgrauer Zigarrenasche.) Bei einigen mag sie einen Muschelsaum haben, bei anderen hat sie einen geraden Abschluss. Menschen mit Hang zum Dekorativen fügen vielleicht noch ein bisschen Spitze hinzu – wie Sie wollen. Mein Tischtuch sei auch Ihr Tischtuch, tun Sie sich keinen Zwang an.
Auch die Beschreibung des Käfigs lässt genügend Raum zur individuellen Interpretation. So habe ich ihn mit einem vagen Vergleich beschrieben, der nur funktioniert, wenn Sie die Welt mit meinen Augen sehen und mit meinem Maß messen. Man wird schnell unpräzise bei vagen Vergleichen, aber die Alternative ist eine aufgesetzte Detailversessenheit, die dem Schreiben jeden Spaß nimmt. Soll ich etwa sagen: »Auf dem Tisch steht ein Käfig von hundertfünf Zentimeter Länge, sechzig Zentimeter Breite und fünfunddreißig Zentimeter Höhe?« Das ist keine Prosa, sondern eine Bedienungsanleitung. Außerdem wurde uns in der Beschreibung oben nicht mitgeteilt, aus welchem Material der Käfig besteht. Maschendraht? Eisenstäbe? Glas? Aber ist das nicht eigentlich egal? Wir wissen doch alle, dass ein Käfig durchsichtig ist, alles Weitere ist unwichtig. Das Interessanteste ist noch nicht mal der Möhren mümmelnde Hase im Käfig, sondern die Nummer auf seinem Rücken. Es ist keine Sechs, keine Vier, keine Neunzehnkommafünf. Es ist eine Acht. Die haben wir vor uns, und wir können sie alle sehen. Das habe ich Ihnen nicht gesagt. Sie haben mich nicht gefragt. Ich habe meinen Mund nicht geöffnet, und Sie Ihren auch nicht. Wir befinden uns noch nicht mal im gleichen Jahr , vom Ort ganz zu schweigen … und doch sind wir zusammen. Wir sind uns nahe.
Unsere Gedanken treffen sich.
Ich habe Ihnen einen Tisch mit einer roten Tischdecke, einen Käfig, einen Hasen und eine Acht in blauer Farbe gesendet. Sie haben alles erhalten, besonders die blaue Acht. Ein telepathischer Vorgang hat stattgefunden. Kein Mythischer-Berge-Scheiß, echte Telepathie. Ich möchte dies nicht unnötig breittreten, doch bevor wir weitermachen, sollten Sie wissen, dass ich nicht versuche, pfiffig zu wirken, mir ist es ernst damit.
Sie können den Schaffensakt nervös, aufgeregt, hoffnungsvoll oder sogar verzweifelt angehen (dieses Gefühl, dass Sie nie genau das werden niederschreiben können, was Sie denken und fühlen). Sie können sich mit geballten Fäusten und zusammengekniffenen Augen daranmachen, fest entschlossen, durchzugreifen und Namen zu nennen. Sie können sich an den Schreibtisch setzen, weil Sie ein bestimmtes Mädchen heiraten möchten oder weil Sie die Welt verändern wollen. Das ist Ihre Angelegenheit – aber seien Sie auf keinen Fall leichtfertig. Ich sage es noch einmal: Sie dürfen sich nicht leichtfertig an ein leeres Blatt setzen!
Damit meine ich nicht, dass Sie ehrfürchtig oder vorbehaltlos sein sollen; ich bitte Sie nicht, politisch korrekt zu sein oder Ihren Humor im Keller einzusperren (danken Sie Gott, wenn Sie welchen besitzen). Wir sind hier nicht auf einem Popularitätswettbewerb, es ist auch keine moralische Olympiade, und in der Kirche sind wir auch nicht. Sondern wir wollen schreiben , verdammt noch mal, nicht das Auto waschen oder Eyeliner auftragen. Wenn Sie das ernst nehmen, können wir zur Sache kommen. Wenn Sie das nicht können oder wollen, dann klappen Sie das Buch jetzt besser zu und machen etwas anderes.
Waschen Sie vielleicht das Auto.
DER WERKZEUGKASTEN
1
Grandpa was a carpenter
he built houses, stores and banks,
he chain-smoked Camel cigarettes
and hammered nails in planks.
He was level-on-the-level,
shaved even every door,
and voted for Eisenhower
’cause Lincoln won the war.
Das ist eins meiner Lieblingslieder von John Prine, wahrscheinlich, weil auch mein Opa ein Zimmermann war. Von Geschäften und Bänken weiß ich nichts, aber Guy Pillsbury hat tatsächlich so manches Haus gebaut und so einige Jahre darauf verwandt, dafür zu sorgen, dass das Anwesen von Winslow Homer in Prout’s Neck dem Atlantik und den strengen Wintern an der Küste nicht trotzte. Fazza rauchte jedoch Zigarren, keine Camels. Mein Onkel Oren, auch ein Zimmermann, rauchte Camels. Und als sich Fazza zur Ruhe setzte, erbte Onkel Oren den Werkzeugkasten des alten Knaben. Ich weiß nicht mehr, ob er damals in der Garage stand, als mir der Hohlziegel auf den Fuß fiel, aber höchstwahrscheinlich thronte er an seinem angestammten
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