Das Leben und das Schreiben
weil sie das, was sie taten, ungern taten, und manche waren böse, weil es ihnen zuwider war, grausam zu sein, und manche waren kühl, weil sie schon vor langer Zeit herausgefunden hatten, dass man kein Landbesitzer sein kann, ohne kühl zu sein.
John Steinbeck, Die Früchte des Zorns
(Originaltitel: The Grapes of Wrath )
Der Satz von Steinbeck ist ganz besonders interessant. 4 Er besteht im Englischen aus fünfzig Wörtern, von denen neununddreißig nur eine Silbe lang sind. Bleiben elf übrig, doch selbst diese Zahl täuscht; Steinbeck verwendet because dreimal, owner zweimal und hated zweimal. In dem gesamten Satz hat kein Wort mehr als zwei Silben. Die Struktur ist komplex; der Wortschatz jedoch könnte beinahe aus einer Grundschulfibel stammen. Die Früchte des Zorns ist natürlich einer der richtig guten Romane. Ich bin der Ansicht, dass Die Abendröte im Westen auch einer ist, obwohl er lange Abschnitte enthält, die ich nicht vollständig verstehe. Na und? Den Text von einigen meiner Lieblingslieder kann ich auch nicht ganz verstehen.
Und dann gibt es Ausdrücke, die in keinem Wörterbuch zu finden sind, die aber trotzdem zum Wortschatz gehören. Sehen Sie mal hier:
»Eihh, was is? Was wolln Sie von mir?«
»Hymie is wieder da!«
»Annh! Annnh! Annnhh!«
»Kau mein Schwanz, Eu’ Ehren!«
»Yeggghhh, kannst uns auch am Arsch lecken, Mann!«
Tom Wolfe, Fegefeuer der Eitelkeiten
(Originaltitel: Bonfire of the Vanities )
Dies ist ein Beispiel für phonetisch wiedergegebenen Straßenslang, und nur wenige Schriftsteller verfügen über Wolfes Fähigkeit, so etwas auf Papier zu bringen. (Elmore Leonard ist ein weiterer Schriftsteller, der dies kann.) Einige dieser Slangwörter schaffen es irgendwann ins Wörterbuch, aber dann sind sie längst tot. Ich glaube nicht, dass Sie Yeggghhh im Webster’s Unabridged finden.
Legen Sie den Wortschatz ins oberste Fach Ihres Werkzeugkastens, und versuchen Sie nicht bewusst, ihn aufzupolieren. (Das tun Sie natürlich beim Lesen … aber dazu kommen wir später.)
Eines der schlimmsten Dinge, die man dem eigenen Schreibstil antun kann, ist, das Vokabular schön herauszuputzen und nach langen Wörtern zu suchen, nur weil man sich ein bisschen für die vielen kurzen schämt. Das ist so, als würde man ein Haustier in eine Abendrobe stecken. Dem Haustier ist es peinlich, und dem Menschen, der diese vorsätzliche Verniedlichung begeht, sollte es noch viel peinlicher sein. Schwören Sie hier und jetzt feierlich, dass Sie niemals »Vergütung« sagen werden, wenn Sie »Trinkgeld« meinen, und dass Sie nie sagen werden John hielt an, um einen Ausscheidungsakt zu vollführen , wenn Sie meinen John hielt an, um zu scheißen . Wenn Sie der Meinung sind, »scheißen« könne von Ihrem Publikum als anstößig oder unpassend empfunden werden, sagen Sie einfach John hielt an, um sich zu erleichtern (oder vielleicht John hielt an, um zu »drücken« ). Das bedeutet nicht, dass Sie sich möglichst unflätig ausdrücken sollen, nur klar und direkt. Vergessen Sie nicht, dass der oberste Grundsatz des Formulierens lautet: Nehmen Sie das erste Wort, das Ihnen einfällt, wenn es passt und anschaulich ist . Wenn Sie zögern und nachdenken, finden Sie irgendwann ein anderes Wort – natürlich, es gibt immer ein anderes Wort -, aber wahrscheinlich ist es nicht so gut wie das erste oder so nah an dem, was Sie sagen wollen.
Das mit der Bedeutung ist enorm wichtig. Wer das nicht glauben will, denke an all die Gelegenheiten zurück, als er jemanden sagen hörte: »Ich kann das nicht besser ausdrücken« oder: »So meine ich das nicht«. Denken Sie an die Situationen zurück, in denen Sie selbst mehr oder weniger frustriert diesen Satz von sich gaben. Das Wort ist nur ein Symbol für seinen Inhalt; auch im besten Fall kann das Geschriebene das Gemeinte nicht vollends wiedergeben. Wenn das so ist, warum wollen Sie dann in Gottes Namen alles noch schlimmer machen, indem Sie ein Wort suchen, das nur entfernt verwandt ist mit dem, das Sie eigentlich verwenden wollten?
Und tun Sie sich keinen Zwang an, dabei auch die Angemessenheit des Wortes zu berücksichtigen. Wie George Carlin einmal bemerkte »In some company it’s perfectly all right to prick your finger, but very bad form to finger your prick.« (In manchen Unternehmen ist es durchaus in Ordnung sich in den Finger zu stechen, aber es zeugt von schlechten Manieren, an seinem Stachel zu fingern.)
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Als Nächstes gehört die Grammatik
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