Das Leben und das Schreiben
Verwandte und die Kollegen im Literaturzirkel beeindrucken zu können. Genauso falsch wäre es, sich absichtlich ein Genre oder einen Stil vorzunehmen, um damit Geld zu verdienen. Zum einen ist es moralisch bedenklich: Die Aufgabe von Literatur ist es, in einer fiktiven Welt die Wahrheit im Lügennetz der Geschichte zu finden, und nicht auf der Jagd nach dem Mammon intellektuellen Betrug zu begehen. Außerdem, liebe Brüder und Schwestern, funktioniert es nicht.
Wenn ich gefragt werde, warum ich mich entschieden habe, das zu schreiben, was ich nun mal schreibe, denke ich immer, die Frage ist verräterischer als jede mögliche Antwort, die ich darauf geben könnte. Wie das zähe Zeug in einem Tootsie-Pop-Lutscher versteckt sich darin die Annahme, dass der Schriftsteller Kontrolle über seinen Stoff hat, und nicht umgekehrt. 9 Ein ernsthafter, engagierter Schriftsteller ist gar nicht in der Lage, Material zu taxieren, so wie ein Investor vielleicht verschiedene Börsenwerte abschätzt und sich dann die heraussucht, die ihm einen guten Ertrag zu verheißen scheinen. Wenn das wirklich möglich wäre, dann würde jeder veröffentlichte Roman ein Bestseller, und es gäbe keine gewaltigen Vorschüsse für ein Dutzend »großer Namen« (den Verlegern würde es gefallen).
Grisham, Clancy, Crichton (gestorben 2008, Anm. d. Red.) und ich – und einige andere – bekommen diese hohen Geldsummen, weil wir ungewöhnlich große Mengen von Büchern an ungewöhnlich viele Leser verkaufen. Manchmal wird kritisch geäußert, wir hätten offenbar Zugang zu einer geheimnisvollen Sprache der Massen, den andere (und oft bessere) Autoren entweder nicht besäßen oder zu dem sie sich nicht herablassen wollten. Ich bezweifle, dass das stimmt. Genauso wenig schließe ich mich aber der Behauptung manch populärer Romanciers an (dabei denke ich an die verstorbene Jacqueline Susann, obwohl sie nicht die Einzige ist), dass ihrem Erfolg literarische Qualität zugrunde liege und das Publikum wahre Größe auf eine Art und Weise verstehe, die dem verkniffenen, von Neid zerfressenen Literaturbetrieb vorenthalten bliebe. Diese Theorie ist lächerlich, sie entspringt Eitelkeit und Unsicherheit.
Leser lassen sich im Großen und Ganzen nicht von der literarischen Qualität eines Buches zum Kauf animieren; sie wollen eine gute Geschichte mit ins Flugzeug nehmen, die sie zunächst fesselt und dann hineinzieht und zum Umblättern zwingt. Und das geschieht meiner Ansicht nach dann, wenn sich der Leser in den Figuren im Buch, in ihrem Verhalten, ihrer Umgebung und ihren Gesprächen wiederfindet. Wenn der Leser ein Echo seines eigenen Lebens und seiner Ansichten aus dem Buch vernimmt, taucht er tiefer in die Geschichte ein. Ich bin überzeugt, dass es unmöglich ist, diese Leserbindung vorsätzlich herzustellen, indem man den Buchmarkt einschätzt, als wäre man ein Buchmacher auf der Rennbahn mit einem heißen Tipp.
Stilistische Nachahmung ist eine Sache, sie ist eine völlig ehrenwerte Möglichkeit, um die ersten Schritte als Autor zu tun (eigentlich ist sie gar nicht zu vermeiden; jede neue Entwicklungsstufe eines Schriftstellers zeichnet sich durch eine Art von Nachahmung aus), was man jedoch nicht imitieren kann, ist die Herangehensweise eines einzelnen Autors an ein bestimmtes Genre, auch wenn das, was dieser Schriftsteller tut, noch so einfach aussieht. Mit anderen Worten: Man kann mit einem Buch nicht zielen wie mit einer Cruise Missile. Menschen, die beschließen, mit Imitaten der Bestseller von John Grisham oder Tom Clancy ein Vermögen verdienen zu können, produzieren im Großen und Ganzen nichts als einen schwachen Abklatsch, denn Wortschatz ist nicht mit Emotion gleichzusetzen, und die Handlung ist Lichtjahre von Glaubwürdigkeit entfernt. Kopf und Herz erkennen das. Wenn Sie einen Roman sehen, auf dessen Einband » Im Stil von (John Grisham/Patricia Cornwell/Mary Higgins Clark/Dean Koontz)« steht, dann wissen Sie, dass Sie eines dieser kalkulierten (und meistens langweiligen) Imitate anschauen.
Schreiben Sie, was Sie wollen, hauchen Sie dem Text Leben ein, und verleihen Sie ihm seine einzigartige Note, indem Sie Ihre persönliche Erfahrungen mit dem Leben, mit Freundschaft, Beziehungen, Sex und Arbeit einfließen lassen. Gerade die Arbeit! Die Leute lesen gern über Arbeit. Der Himmel weiß, warum, aber es stimmt. Wenn Sie Klempner sind und gern Science-Fiction lesen, überlegen Sie sich doch mal einen Roman über einen Klempner an Bord
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