Das Leben und das Schreiben
eines Raumschiffs oder auf einem fremden Planeten. Klingt absurd? Der verstorbene Clifford D. Simak schrieb ein Buch mit dem Titel Ingenieure des Kosmos (Originaltitel: Cosmic Engineers ), das dem ziemlich nahekommt. Und es ist ein tolles Buch. Sie müssen nur im Gedächtnis behalten, dass es einen Unterschied gibt, zwischen dem Dozieren über Ihr Wissen und dem Anreichern der Geschichte mit Ihrem Wissen. Letzteres ist gut, Ersteres nicht.
Nehmen Sie beispielsweise John Grishams Roman Die Firma (Originaltitel: The Firm ), der ihm den Durchbruch brachte. Darin findet ein junger Anwalt heraus, dass seine erste Anstellung wirklich zu schön ist, um wahr zu sein. Er arbeitet für die Mafia. Die Firma , spannend, fesselnd und mit halsbrecherischem Tempo, hat sich mindestens neun Quillionen Mal verkauft. Das Publikum schien das moralische Dilemma zu interessieren, in dem sich der junge Anwalt befindet: Für die Mafia arbeiten ist schlecht, logisch, aber die Bezahlung ist saumäßig gut! Man bekommt einen BMW, und das ist nur der Anfang!
Ebenso gefallen dem Publikum die findigen Bemühungen des Anwalts, sich aus diesem Dilemma zu befreien. Wahrscheinlich würden sich die meisten Menschen nicht so wie dieser Anwalt verhalten, auch scheppert der Deus ex Machina recht laut auf den letzten fünfzig Seiten, aber wir würden uns alle gern so benehmen. Und hätten wir nicht auch gern so einen Deus ex Machina in unserem Leben?
Obwohl ich es nicht mit Bestimmtheit weiß, wette ich Haus und Hund, dass John Grisham nie für die Mafia gearbeitet hat. Der Teil ist völlig frei erfunden (frei zu erfinden ist die reinste Freude für einen Romancier). Aber Grisham war einmal ein junger Anwalt, und offenbar kann er sich noch gut an die Schwierigkeiten erinnern. Er hat auch nicht vergessen, wo sich die verschiedenen Fallstricke und Fußangeln verstecken, die den Bereich des Körperschaftsrechts so schwierig gestalten. So entwirft er, aufgelockert durch erfrischenden Humor als brillanten Kontrapunkt, aber ohne in hohle Phrasen abzugleiten, eine Welt von darwinscher Brutalität, in der die Wilden dreiteilige Anzüge tragen. Und – jetzt kommt das Gute daran – man nimmt ihm diese Welt einfach ab . Grisham kennt das Terrain, er hat Land und feindliche Positionen ausspioniert und einen umfassenden Bericht abgeliefert. Er sagt die Wahrheit über das, was er kennt, und schon allein dafür verdient er jeden Dollar, den er mit Die Firma eingenommen hat.
Wenn Kritiker Die Firma und Grishams spätere Bücher als schlecht geschrieben schmähen oder behaupten, sein Erfolg sei ihnen unerklärlich, sehen sie entweder den Wald vor lauter Bäumen nicht, gerade, weil er so groß und offensichtlich ist, oder zeigen sich absichtlich begriffsstutzig. Grishams fiktive Geschichte ist fest verankert in einer ihm vertrauten Welt, die er aus eigener Anschauung kennt und über die er mit absoluter (fast schon naiver) Offenheit schreibt. Das Ergebnis ist ein Buch, das – ob mit oder ohne Reißbrettfiguren, darüber kann man streiten – gleichzeitig mutig und unglaublich überzeugend daherkommt. Als angehender Schriftsteller sind Sie gut beraten, nicht das offenbar von Grisham erfundene Thema »Anwalt in Gewissensnöten« zu kopieren, sondern stattdessen Grishams Offenheit und Fähigkeit zu imitieren, ohne Umschweife sofort zum Punkt zu kommen.
Natürlich kennt sich John Grisham mit Anwälten aus. Auch Sie haben ein Spezialgebiet, das Sie einzigartig macht. Seien Sie mutig! Zeichnen Sie die feindlichen Positionen auf, kommen Sie zurück, und erzählen Sie, was Sie wissen. Und denken Sie daran, dass es schlechtere Themen gibt als Klempner im Weltraum.
5
Meines Erachtens setzen sich Geschichten und Romane aus drei Elementen zusammen: Die Erzählung spinnt den Faden von A zu B und schließlich zu Z, die Beschreibung erschafft für den Leser eine sinnlich wahrzunehmende Realität, und der Dialog haucht den Figuren mittels ihrer Sprache Leben ein.
Vielleicht fragen Sie sich, wo denn die Handlung bleibt. Die Antwort lautet (meine wenigstens): nirgends. Ich werde nicht versuchen, Sie zu überzeugen, dass ich noch nie eine Handlung entworfen habe, genauso wenig wie ich Sie zu überzeugen versuche, dass ich noch nie gelogen habe, aber ich tue beides so selten wie möglich. Aus zwei Gründen misstraue ich vorfabrizierter Handlung: Erstens kommt sie in unserem Leben nicht häufig vor, selbst wenn man all unsere gründlichen Planungen und vernünftigen
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