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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ausrede konsumiert werden kann: »Ja, ähm, ich lese tatsächlich [Name des Autors einsetzen], aber nur im Flugzeug und im Hotel, wo ich kein CNN empfangen kann; außerdem lerne ich dadurch sehr viel über [passendes Thema einsetzen].«
    Auf jeden erfolgreichen Schriftsteller aus der faktenfixierten Kategorie kommen jedoch hundert (vielleicht sogar tausend) Möchtegerne, manche sind veröffentlicht, die meisten nicht. Im Ganzen gesehen bin ich der Meinung, dass die Handlung in den Vordergrund gehört, obwohl ein gewisses Maß an Recherche unerlässlich ist; wenn Sie sich davor drücken, dann auf eigene Gefahr!
    Im Frühjahr 1999 fuhr ich von Florida, wo ich mit meiner Frau überwintert hatte, zurück nach Maine. Am zweiten Tag auf der Straße hielt ich abseits des Pennsylvania Turnpike an einer kleinen Tankstelle, einem dieser lustigen, altmodischen Schuppen, wo noch immer ein Mann rauskommt, das Auto betankt und fragt, wie’s einem geht und für welche Uni man in den NCAA-College-Meisterschaften ist.
    Ich antwortete ihm, es gehe mir gut und ich sei für Duke. Dann lief ich um das Gebäude herum zur Herrentoilette. Hinter der Tankstelle rauschte ein Fluss, der viel Schneewasser führte, und als ich aus der Toilette kam, kletterte ich ein kleines Stück den Abhang herunter, der mit weggeworfenen Reifenwulsten und Motorteilen übersät war, um mir den Fluss genauer anzusehen. Teilweise lag noch immer Schnee. Ich rutschte auf einem vereisten Stück aus und glitt die Uferböschung hinunter. An einem alten Motorblock konnte ich mich festhalten, bevor ich an Fahrt gewann. Als ich mich wieder erhob, wurde mir jedoch klar, dass ich bis hinunter ins Wasser hätte rutschen und weggeschwemmt werden können, wenn ich Pech gehabt hätte. Ich fragte mich, wie lange es dann wohl gedauert hätte, bis der Tankstelleninhaber die State Police gerufen hätte, wenn mein Auto, ein brandneuer Lincoln Navigator, einfach weiter vor den Zapfsäulen gestanden hätte. Als ich wieder auf dem Turnpike war, hatte ich zweierlei: einen nassen Hintern durch das Ausgleiten hinter der Mobil-Tankstelle und eine tolle Idee für eine Geschichte.
    Darin lässt ein geheimnisvoller Mann in einem schwarzen Mantel (vermutlich kein Mensch, sondern ein Wesen, das sich eher schlecht als recht als einer verkleidet hat) sein Fahrzeug vor einer kleinen Tankstelle im ländlichen Pennsylvania stehen. Das Fahrzeug sieht aus wie ein alter Buick Special aus den späten Fünfzigern, aber es ist genauso wenig ein Buick, wie der Typ im schwarzen Mantel ein Mensch ist. Der Wagen fällt ein paar Beamten der State Police in die Hände, die in einem fiktiven Revier im Westen von Pennsylvania ihren Dienst tun. Gute zwanzig Jahre später erzählen diese Polizisten die Geschichte mit dem Buick dem trauernden Sohn eines ihrer Kollegen, der in Ausübung seiner Pflicht starb.
    Die Idee war wirklich klasse und hat sich zu einem starken Roman über die Weitergabe von Wissen und Geheimnissen entwickelt; darüber hinaus ist es eine grausige, Angst einflößende Geschichte über eine fremdartige Maschinerie geworden, die manchmal Menschen schnappt und verschlingt. Natürlich gab es ein paar kleinere Probleme – so wusste ich zum Beispiel absolut null über die State Police von Pennsylvania -, aber davon ließ ich mich nicht abhalten. Was ich nicht wusste, dachte ich mir einfach aus.
    Das konnte ich tun, weil ich bei geschlossener Tür schrieb, nur für mich und den idealen Leser in meinem Kopf (in meinen Gedanken ist Tabby selten so kratzbürstig, wie sie im richtigen Leben sein kann; in meinen Tagträumen lobt sie mich gewöhnlich und spornt mich mit strahlenden Augen an). Eine meiner denkwürdigsten Sitzungen fand in einem Zimmer im vierten Stock des Bostoner Eliot Hotels statt: Ich saß am Schreibtisch am Fenster und beschrieb die Autopsie eines außerirdischen, fledermausähnlichen Wesens, während unter mir auf der Straße ausgelassen der Boston Marathon tobte und aus Lautsprechern auf den Dächern »Dirty Water« von den Standells dröhnte. In den Straßen unter mir befanden sich Tausende von Menschen, aber oben bei mir im Zimmer war niemand, der den Spielverderber machte und mir sagte, dies und das sei falsch oder die Cops im Westen von Pennsylvania machen das nicht so, ts-ts-ts.
    Der Roman, er heißt Der Buick (Originaltitel: From a Buick Eight ), liegt seit Ende Mai 1999, als ich die Rohfassung vollendete, in einer Schreibtischschublade. Die Arbeit daran hat sich aufgrund

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