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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Erfahrung gemacht, dass die üblichen täglichen Unterbrechungen und Ablenkungen einem im Werden begriffenen Werk nicht sonderlich schaden, sondern ihm sogar auf gewisse Weise helfen können. Schließlich ist es das in die Schale eindringende Staubkorn, das in der Auster zur Perle wird, und nicht Seminare über Perlenherstellung mit anderen Austern. Je höher sich die Arbeit vor mir auftürmt – je mehr es sich nach »ich muss« statt nach »ich will« anfühlt -, desto problematischer kann es werden. Ein großes Problem von Workshops ist, dass »ich muss« zur Regel wird. Schließlich ist man nicht gekommen, um einer Wolke gleich einsam zu wandern und die Schönheit des Waldes oder die Erhabenheit der Berge zu bewundern. Sie müssen, verdammt noch mal, schreiben , und wenn auch nur, damit Ihre Kollegen etwas zu diskutieren haben, wenn sie abends im Haupthaus die verfluchten Marshmallows rösten. Wenn die Arbeit am Text andererseits ebenso wichtig ist, wie das Kind rechtzeitig ins Basketball-Lager zu bringen, baut sich erst gar nicht so viel Druck auf. Und wozu sind diese Diskussionen überhaupt gut? Welchen Wert haben sie? Meinen Erfahrungen nach leider keinen sonderlich großen, tut mir leid. Die meisten sind so unverbindlich, dass man ausrasten könnte. Mir gefällt die Atmosphäre von Peters Geschichte , mag jemand sagen, sie hat so etwas … so ein Gefühl von – keine Ahnung … so etwas Liebevolles … das kann ich nicht genau beschreiben …
    Weitere Perlen aus Schreibseminaren sind unter anderem: Ich fand irgendwie, die Sache mit der Stimmung war einfach – weißt du; Polly als Figur kam mir ziemlich stereotyp vor; mir gefielen die Metaphern, weil ich dadurch besser verstanden habe, was er meinte, mehr oder weniger.
    Anstatt diese plappernden Idioten mit ihren eigenen frisch gerösteten Marshmallows zu bewerfen, sitzen alle anderen meist nickend und lächelnd um das Feuer herum und blicken feierlich gedankenverloren . Zu oft gehören die dort ansässigen Lehrer und Schriftsteller zu den nickenden, lächelnden und feierlich gedankenverloren blickenden Schwachköpfen. Nur wenigen Teilnehmern scheint aufzugehen, dass sie, wenn sie so ein Gefühl haben, das man nicht beschreiben kann, dass sie dann einfach, ich weiß nicht, irgendwie, finde ich zumindest, vielleicht im falschen Scheißseminar sitzen.
    Unkonstruktive Kritik hilft Ihnen nicht, wenn Sie sich an die Überarbeitung machen, sie schadet vielleicht sogar. Keiner der vorstehenden Kommentare geht auf die Sprache eines Stücks oder seine Erzählstruktur ein; solche Meinungsäußerungen sind nichts als heiße Luft und bieten keinerlei sachliche Anregungen.
    Im Übrigen wird man durch tägliche Kritik gezwungen, mit ständig geöffneter Tür zu schreiben, und das läuft in meinen Augen dem Zweck der Übung zuwider. Wozu soll es gut sein, dass Ihnen der Angestellte das Essen auf Zehenspitzen auf die vordere Veranda stellt und sich dann wieder mit ebensolch rücksichtsvoller Lautlosigkeit vom Acker macht, wenn Sie Ihr aktuelles Werk jeden Abend einer Gruppe von Möchtegernautoren laut vorlesen (oder es in Kopie an alle verteilen), die Ihnen erzählen, es gefiele ihnen, wie Sie mit Stimmung und Atmosphäre umgingen, aber unbedingt wissen möchten, ob Dollys Hut, der mit den Glocken dran, symbolisch gemeint sei. Der Erklärungsdruck lastet ständig auf Ihnen, sodass viel kreative Energie, wie mir scheint, über die falschen Kanäle abfließt. Das führt dazu, dass Sie das Geschriebene und dessen Sinn in einem fort infrage stellen, obwohl Sie eigentlich so schnell schreiben sollten, wie der Lebkuchenmann rennt, damit die Rohfassung auf dem Papier ist, solange Sie den Umriss des Fossils klar und deutlich vor Augen haben. In zu vielen Schreibkursen lautet die Satzung: Wart mal kurz, was hast du denn damit gemeint?
    Der Gerechtigkeit halber muss ich mich dazu bekennen, ein gewisses Vorurteil zu haben: Eines der wenigen Male, als ich unter einer ausgewachsenen Schreibblockade litt, war im letzten Jahr an der Universität von Maine, als ich nicht nur an einem, sondern an zwei Kursen in kreativem Schreiben teilnahm (in dem einen Seminar lernte ich meine zukünftige Frau kennen, kann man also nicht als vertane Zeit rechnen). Die meisten meiner Kommilitonen in dem Semester schrieben Gedichte über sexuelles Verlangen oder Erzählungen, in denen sich launische junge Männer von ihren Eltern unverstanden fühlen und sich nach Vietnam aufmachen. Eine junge Frau schrieb

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