Das Leben und das Schreiben
eine Menge über den Mond und ihren Menstruationszyklus; in ihren Gedichten wurde the moon immer nur th m’n genannt. Erklären, warum das so sein musste, konnte sie nicht, aber wir alle fühlten mit ihr: th m’n , yeah, das ist abgefahren, Schwester.
Auch ich brachte Gedichte mit zum Unterricht, doch in meinem Zimmer versteckt war mein schmutziges kleines Geheimnis: das zur Hälfte fertiggestellte Manuskript eines Romans über eine Gruppe von Jugendlichen, die einen Rassenkrawall anzetteln wollen. Unter dem Deckmantel des Krawalls wollen sie zwei Dutzend Kredithaie und Drogenschieber in der Stadt Harding ausnehmen. Harding war meine fiktive Version der Stadt Detroit (dass ich noch nie näher als sechshundert Meilen an Detroit herangekommen war, hielt mich weder davon ab noch bremste es mich aus). Dieser Roman, Sword in the Darkness , schien mir im Vergleich mit den angestrebten Zielen meiner Kommilitonen sehr kitschig; deshalb stellte ich ihn wohl auch nie zur Diskussion. Dass er sogar besser und irgendwie ehrlicher als all meine Gedichte über sexuelles Verlangen und die Ängste eines jungen Mannes war, machte es nur noch schlimmer. Das Ergebnis waren vier Monate, in denen ich so gut wie nichts zu Papier brachte. Stattdessen trank ich Bier, rauchte Pall Mall, las Taschenbücher von John D. MacDonald und schaute nachmittags Seifenopern im Fernsehen.
Schreibkurse und -seminare haben jedoch zumindest einen unbestreitbaren Vorteil: Dort wird der Wunsch, Prosa oder Lyrik zu verfassen, ernst genommen. Das ist etwas ganz Wunderbares für aufstrebende Schriftsteller, die bis dahin von ihren Freunden und Verwandten nur mit herablassendem Mitleid betrachtet wurden (»An deiner Stelle würde ich den anderen Job noch nicht kündigen!« ist ein beliebter Satz, der meistens von einem fiesen Grinsen begleitet wird). Wo, wenn nicht in Schreibkursen, ist es denn sonst erlaubt, einen großen Teil der Zeit in seiner kleinen Traumwelt zu verbringen? Trotzdem: Brauchen Sie wirklich eine offiziell ausgestellte Erlaubnis und einen Ausweis, um sich in die Traumwelt zu begeben? Muss Ihnen wirklich erst jemand einen Aufkleber mit der Aufschrift SCHRIFTSTELLER anpappen, damit Sie selbst glauben, einer zu sein? Bei Gott, hoffentlich nicht.
Ein weiteres Argument für diese Seminare sind die Männer und Frauen, die sie unterrichten. Es gibt Tausende begabter Schriftsteller in Amerika, und nur wenige können sich und ihre Familie mit ihrer Arbeit ernähren (ich glaube, es könnten weniger als fünf Prozent sein). Sicher gibt es immer ein wenig Beihilfe, aber zum Leben reicht sie nie. Und Regierungssubventionen für Schriftsteller, die kann man vergessen! Subventionen für die Tabakindustrie? Klar! Forschungszuschüsse, um die Bewegungsfähigkeit von unkonserviertem Bullensperma zu untersuchen, gewiss. Subventionen für kreatives Schreiben? Niemals! Und damit wären die meisten Wähler wohl einverstanden, denke ich. Mit Ausnahme von Norman Rockwell und Robert Frost hat Amerika seine Kreativen nie sonderlich zu schätzen gewusst; als Land sind wir wohl eher an Sammeltellern von Franklin Mint und Internet-Grußkarten interessiert. Und wenn Ihnen das nicht gefällt, ist das ein Fall von Pech gehabt, denn so ist es eben nun einmal. Amerikaner sind mehr an TV-Shows interessiert als an Raymond Carvers Kurzprosa.
Für viele unterbezahlte kreative Künstler lautet die Antwort, ihr Wissen an andere zu vermitteln. Das kann etwas Schönes sein, und es ist toll, wenn Aspiranten die Möglichkeit haben, seit Langem bewunderte Veteranen des Metiers kennenzulernen und ihnen zuzuhören. Und es ist toll, wenn aus solchen Seminaren berufliche Kontakte entstehen. Durch meinen Englischlehrer im zehnten Schuljahr, Edwin M. Holmes, ein regional bekannter Autor von Kurzgeschichten, kam ich an meinen ersten Agenten, Maurice Crain. Nachdem Professor Holmes ein paar meiner Geschichten in Eh-77 (ein Kurs mit dem Schwerpunkt Prosa) gelesen hatte, fragte er Crain, ob er einen Blick auf eine Auswahl meiner Werke werfen würde. Crain bejahte, allerdings hatten wir nicht viel Kontakt miteinander; er war über achtzig, bei schlechter Gesundheit und starb kurz nach unserem ersten Briefwechsel. Ich kann nur hoffen, dass es nicht an meiner ersten Lieferung von Geschichten lag.
Schreibseminare oder -unterricht braucht man genauso wenig wie dieses Buch oder jedes andere übers Schreiben. Faulkner lernte sein Handwerk, während er auf dem Postamt von Oxford, Mississippi,
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