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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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jetzt kommen sie rasch näher. Horch.«
    Tritte, zu leise für ihre Schnelligkeit, Stimmen, zu gedämpft, um etwas Gutes zu bedeuten. Der Zauberer rieb sich die Augen. »Vielleicht hat Drinn Schuldgefühle bekommen, weil er seinem Giftmischer zu wenig bezahlt hat«, murmelte er. »Vielleicht lässt ihn sein Gewissen nicht schlafen. Alles ist möglich. Vielleicht wachsen mir bald Federn.« Er fasste Molly am Arm und zog sie in eine steinige Kuhle am Wegesrand. Das Einhorn lag mondscheinstill in ihrer Nähe.
    Dolche glänzten wie Fischzüge im nächtlichen Meer. Eine Stimme sagte plötzlich laut und zornig: »Ich sage euch, sie sind uns durch die Lappen gegangen. Eine Meile weiter hinten sind wir an ihnen vorbeigegangen, als ich das Rascheln hörte. Verdammt will ich sein, wenn ich auch nur noch einen einzigen Schritt weiter gehe.«
    »Ruhig!«, flüsterte wütend eine zweite Stimme. »Willst du, dass sie uns entkommen und uns verraten? Du hast Angst vor dem Zauberer, aber du solltest lieber Angst vor dem Roten Stier haben! Wenn Haggard herausfindet, was es mit unserer Hälfte des Fluches auf sich hat, dann wird er ihn schicken und uns alle zu Staub zerstampfen lassen.«
    Der erste Mann erwiderte bedeutend leiser: »Ich habe keine Angst. Ein Zauberer ohne Bart ist überhaupt kein Zauberer. Aber wir verschwenden nur unsere Zeit. Sie sind von der Straße runter und haben sich in die Büsche geschlagen, sobald sie merkten, dass wir hinter ihnen her sind. Wir können hier die ganze Nacht herumsuchen, ohne auch nur eine Spur von ihnen zu finden.«
    Eine dritte Stimme, noch matter als die beiden anderen, sagte: »Wir haben sie die ganze Nacht lang gejagt. Seht, dort drüben kommt schon der Tag.«
    Molly bemerkte, dass sie zur Hälfte unter Schmendricks schwarzen Mantel gekrochen war und ihr Gesicht in ein Büschel stacheligen dürren Grases gewühlt hatte. Sie wagte nicht, den Kopf zu heben, aber sie öffnete die Augen und sah die Luft seltsam hell werden. Der zweite Mann sagte: »Narr! Bis zum Morgen sind es noch gut zwei Stunden. Und im übrigen gehen wir nach Westen.«
    »In diesem Fall«, erklang die Stimme des dritten Mannes, »gehe ich nach Hause.«
    Schnelle Schritte waren zu hören, und der erste Mann rief: »Warte doch! Warte, ich geh’ mir dir!« Dem zweiten Mann murmelte er hastig zu: »Ich gehe nicht nach Hause, ich will nur unseren Weg ein Stückchen zurückgehen, ich glaube nämlich immer noch, dass ich sie gehört habe, und außerdem habe ich irgendwo mein Zunderzeug verloren.« Molly hörte, wie er sich, noch während er sprach, davonschlich.
    »Verdammte Feiglinge!«, fluchte der zweite Mann. »Wartet doch wenigstens, bis ich ausprobiert habe, was Drinn mir geraten hat.« Die Schritte zögerten, und er sang lauthals: »Schöner als Sommer und heißer als Glut, süßer als Frauen und teurer als Blut…«
    »Mach schon«, sagte die dritte Stimme, »beeil dich, der Himmel wird schon hell. Was soll denn dieser Unsinn?«
    Sogar die Stimme des zweiten Mannes klang jetzt aufgeregt. »Das ist kein Unsinn. Drinn behandelt sein Geld so gut, dass dieses es nicht ertragen kann, von ihm getrennt zu werden. Das ergreifendste Verhältnis, das man je gesehen hat. Er redet seinen Schatz folgendermaßen an: ›Schneller als Wasser und stärker als Schmerzen, sagt, wer liegt am meisten euch am Herzen?‹«
    »Drinn«, ertönten die Goldstücke in Schmendricks Börse, »drinndrinndrinn.« Dann brach der Sturm los.
    Der zerfetzte schwarze Mantel klatschte Molly um die Ohren, als Schmendrick sich auf die Knie wälzte und verzweifelt nach seiner Börse grapschte. Als er sie in die Hand bekam, zischte sie wie eine Klapperschlange. Er schleuderte sie weit von sich, doch die drei Männer rannten schon auf sie zu, und ihre Dolche leuchteten so rot, als hätten sie bereits zugestoßen. Hinter Haggards Schloss stieg flammende Helle empor, brach wie ein Bug in die Nacht. Der Zauberer stand hochaufgerichtet da und bedrohte die Angreifer mit Dämonen, Metamorphosen, lähmenden Krankheiten und geheimen Judogriffen. Molly hob einen großen Stein auf.
    Mit einem Fanfarenstoß des Schreckens und Verderbens brach das Einhorn aus seinem Versteck. Seine Hufe prasselten wie ein Regen aus Rasiermessern herab, seine Mähne sträubte sich wild, und auf der Stirn trug es einen Federbusch aus Blitz. Die drei Meuchelmörder ließen ihre Dolche fallen und bedeckten ihre Gesichter, selbst Molly und Schmendrick duckten sich. Doch das Einhorn sah keinen

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