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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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»und ging allein nach Hause.« Mollys Gesicht verfinsterte sich. Drinn zuckte leicht die Achseln. »Ich erkenne eine Heldengeburt, wenn ich sie sehe«, sagte er. »Omen und Wunder, Schlangen an der Wiege. Wären die Katzen nicht gewesen, hätte ich das Kind vielleicht gerettet, doch sie haben das Ganze so offensichtlich gemacht, so mythologisch. Was hätte ich denn tun sollen? Etwa wissentlich Hagsgates Verderben in mein Haus aufnehmen?« Seine Lippen zuckten, als bohre sich ein Haken in sie. »Zufälligerweise habe ich falsch gehandelt, aber wie sich bald herausstellen sollte, gereichte es dem Kind zum Vorteil. Als ich bei Sonnenaufgang zurückkam, war das Kind verschwunden.«
    Schmendrick malte Bildchen aus dem verschütteten Wein und erweckte den Eindruck, als hätte er gar nicht zugehört. Drinn sprach weiter. »Verständlicherweise gab niemand zu, das Kind auf dem Marktplatz ausgesetzt zu haben, und obwohl wir jedes Haus vom Keller bis zum Taubenschlag durchsuchten, fanden wir es nicht wieder. Ich wäre zu dem Schluss gekommen, Wölfe hätten den Balg geholt, oder sogar, ich hätte die ganze Begebenheit geträumt, die Katzen und alles andere, wenn nicht am nächsten Tag ein Herold König Haggards in die Stadt gekommen wäre und uns Befehl zum Jubeln erteilt hätte. Nach dreißigjährigem Warten hatte der König endlich einen Sohn.« Er wich geflissentlich Mollys Blick aus. »Unser Findling war übrigens ein Junge.«
    Schmendrick leckte seine Fingerspitze ab und sah auf. »Lír«, sagte er nachdenklich, »Prinz Lír. Aber gibt es für sein Erscheinen keine andere Erklärung?«
    »Wohl kaum!«, schnaubte Drinn. »Die Frau, die Haggard heiraten wollte, die würde sogar er verschmähen. Er ließ verkünden, der Knabe sei sein Neffe, den er nach dem Tode seiner Eltern gnädigst an Kindes Statt angenommen habe. Haggard hat aber keine Verwandten, keine Familie. Es gibt Leute, die sagen, er sei aus einer Wolke geboren worden, so wie Venus aus dem Meer geboren wurde. Niemand würde Haggard ein Kind anvertrauen.«
    Der Zauberer streckte gelassen sein Glas vor und füllte es selbst, als Drinn dies ablehnte. »Auf jeden Fall hat er seinen Sohn bekommen, herzlichen Glückwunsch. Wie aber soll er zu eurem Katzenkind gekommen sein?«
    Drinn sagte: »Bei Nacht geht er hin und wieder durch Hagsgate. Viele von uns haben ihn gesehen, den großen Haggard, fahl wie Treibholz, wie er allein unterm eisernen Mond umherschleicht, Münzen aufhebt, zerbrochenes Geschirr, Löffel, Taschentücher, Ringe, zertretene Äpfel, wertlose Dinge, Abfall. Haggard war’s, der das Kind genommen hat! Ich bin mir dessen so gewiss, wie ich gewiss bin, dass Prinz Lír derjenige sein wird, der das Schloss zum Einsturz bringt, derjenige, der Haggard und Hagsgate gemeinsam versenkt!«
    »Ich hoffe, er tut’s!«, fuhr Molly dazwischen. »Ich hoffe Prinz Lír ist das Kind, das ihr zum Sterben in der Kälte lassen wolltet, ich hoffe, er ersäuft euch mitsamt eurer Stadt, und ich hoffe, die Fische knabbern euch ab wie Maiskolben!«
    Schmendrick trat ihr mit aller Kraft gegen das Schienbein, denn die Zuhörer begannen zu zischen wie mit Wasser begossene glühende Kohlen, einige standen sogar auf. Er fragte zum zweiten Mal: »Was wünscht ihr nun von mir?«
    »Ich nehme an, ihr seid auf dem Weg zu Haggards Schloss.« Schmendrick nickte. »Aha«, sagte Drinn. »Nun, für einen geschickten Zauberer wäre es ein Leichtes, sich mit dem Prinzen anzufreunden, denn Lír ist für seine Neugier und seinen Wissensdurst bekannt. Ein geschickter Zauberer ist wohlvertraut im Umgang mit allen möglichen Pillen und Pülverchen, könnte ich mir vorstellen, kennt sich aus mit Kräutern und Salben und Tränken. Ein geschickter Zauberer, wohlgemerkt, ich sage ›geschickt‹ und nicht mehr, ein geschickter Zauberer wäre unter den geeigneten Umständen in der Lage…«
    »Für eine Mahlzeit?« Schmendrick warf im Aufspringen seinen Stuhl um. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und schrie: »Essen und Getränke sollen der Preis für einen vergifteten Prinzen sein? Da musst du dir schon was Besseres ausdenken, Freund Drinn. Für solch ein Honorar würde ich nicht einmal einen Kaminfeger erledigen!«
    Molly Grue packte ihn am Arm und rief: »Was sagst du da?« Der Zauberer schüttelte ihre Hand ab, senkte aber deutlich ein Augenlid. Drinn lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lächelte. »Mit einem Fachmann feilsche ich nie. Fünfundzwanzig Goldfüchse.«
    Sie

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