Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)
Kreuzung an der Osterstraße gelegen, war sie schmal und von Jugendstilbauten gesäumt. Anders als im schicken Winterhude oder Eppendorf waren in Eimsbüttel viele Häuser noch nicht aufgemotzt und die Mieten somit bezahlbar. In den Seitenstraßen standen viele Bäume, die dem Viertel im Sommer Schatten und Frische spendeten. Unter Hanna befanden sich ein von ihr oft frequentierter Blumenladen, ein Gemüsehändler und ein Kiosk, in dem sie sich auch sonntags mit dem Nötigsten – Kaffee, Schokolade und Zigaretten – versorgen konnte, wenn sie nicht zum Einkaufen gekommen war. Zwei Häuserecken weiter lag Hamburgs beste Bäckerei, wie Hanna fand, was der Lebensqualität in der Wohnlage weitere entscheidende Punkte hinzufügte.
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Hanna nahm noch einen Schluck Kaffee und ging dann hinein. Auf dem Display erkannte sie Theos Festnetznummer. Sie registrierte missbilligend, dass ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte.
»Hanna!« Er klang atemlos. »Halt dich fest. Ich glaube, wir haben ihn.«
»Wen, Bergman?« Hanna freute sich, dass er so aufgeregt war und sich nicht beschwerte, weil sie sich nicht gemeldet hatte. Sie griff zu ihren Zigaretten und zündete sich entgegen ihren üblichen selbst auferlegten Rauchregeln gleich am Schreibtisch eine weitere Zigarette an.
»Wen sonst. Ich sage dir, das war eine völlig verrückte Nacht …«
Hanna ging hinüber in die Küche, während sie Theos abenteuerlichem Bericht lauschte. Sie griff zu einem Stück Papier, das auf dem riesigen Küchentisch herumlag, und machte sich Notizen.
»Heute Abend treffen wir uns mit Hadice. Du kommst doch?«
Hanna lächelte über seinen Eifer. »Das lass ich mir nicht entgehen.«
Als sie aufgelegt hatte, blieb sie noch eine Weile grübelnd in der Küche sitzen. Die Sache mit dem Kopf veränderte die Lage mit einem Schlag. Endlich ein konkreter Hinweis. Endlich ein Glied in der Kette, das Bergman mit Sven von Vries verknüpfte. Aber würde es stark genug sein?
Sonnabend, 24. Januar 2009
»Ihr habt ihn wieder laufen lassen?« Theo sprang auf und lief im Zimmer auf und ab. Hadice beugte sich vor und hielt ihn mit dem Blick fest. »Es ging nicht anders.«
Sie saßen alle fünf an Theos Esstisch: Hadice und Theo, Hanna und Fatih, Lars und natürlich der Mops, der sich einen Logenplatz auf dem Schoß seines Herrchens errungen hatte.
»Aber der Kopf! Ihr hattet doch den Kopf!« Jetzt sprang auch Fatih auf.
»Der Kopf«, sagte Hadice, »beweist leider gar nichts.« Sie hob die Hand, bevor die anderen sie unterbrechen konnten. »Bergman behauptet, dass er ihn gekauft hat. Als ›wissenschaftliche Preziose‹, wie er sagt. Und nun beweise ihm einmal einer das Gegenteil.«
»Gekauft.« Fatih lachte ungläubig. »So was kann man doch nicht einfach kaufen.«
»Oh, du hast keine Ahnung. Man kann alles, wirklich alles kaufen, wenn man die Mittel dazu hat.«
»Was ist mit genetischen Spuren?« Hanna klinkte sich ein. »Wenn sich Genmaterial von Bergman direkt an dem Kopf befindet, beweist das doch, dass er ihn präpariert hat.«
Hadice schüttelte den Kopf. »Daran hat er gedacht. Er ist ein schlauer Teufel. Er hat erzählt, dass er einen neuen Behälter hat anfertigen lassen und den Kopf höchstpersönlich umgelagert hat. Das heißt, selbst wenn wir seinen genetischen Fingerabdruck innerhalb des Glases finden, beweist es nicht, dass er etwas mit der Herstellung zu tun hatte. Ganz abgesehen davon, dass es sehr fraglich ist, ob sich solche Spuren siebzig Jahre lang halten, und dazu noch in Formalin.«
Hanna zupfte grübelnd an ihrer Unterlippe. »Was ist mit dem Tod dieser Ilse Steiner? Seid ihr da irgendwie weitergekommen?«
»Sackgasse«, sagte Hadice.
Schon vor zwei Tagen war sie den Hinweisen von Hanna und Theo folgend in das Altenheim Entenbach gefahren. Dort hatte dieselbe lila gefärbte Frau am Empfang gestanden wie zwei Wochen zuvor bei dem Besuch von Hanna.
»Ilse Steiner? Da kommen Sie leider zu spät«, hatte sie bedauernd gesagt und dann berichtet, dass die langjährige Patientin vor wenigen Tagen gestorben sei.
»Ich weiß.« Hadice hatte ihre Dienstmarke vorgezeigt. »Deshalb bin ich da.«
Anschließend hatte sie mit dem Pflegepersonal gesprochen. Aber niemandem war etwas Ungewöhnliches aufgefallen. »Sie war wie immer: eine Pest«, hatte eine der Schwestern ausgesprochen, was offenbar alle dachten. Niemand dachte daran, Hadice mit dem Zivildienstleistenden Leon in Kontakt zu
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