Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)
seinem Schmerz stellen kann.
Ich möchte Angehörigen Mut machen, sich der Trauer zu stellen und sie auszuleben. Bestattungsunternehmen, denen das Gütesiegel »TrauerOase« verliehen wurde, schaffen dafür den geeigneten Raum. Mit diesem Gütesiegel – ein Begriff, der im Zusammenhang mit dem Bestattungswesen vielleicht ungewohnt klingt – wird zunächst bestätigt, dass die Qualität der Leistung eines Bestatters geprüft und ausgezeichnet wurde. Dabei sollen nationale und regionale Besonderheiten und die Individualität der ausgezeichneten Unternehmen erhalten bleiben.
Die Qualität der Dienstleistung, das Ambiente der Beratungs- und Abschiedsräume sind wichtige Kriterien für die Verleihung des Gütesiegels. Aber das wichtigste Kriterium sind die Menschen, die den Hinterbliebenen als Trauerberater und -begleiter zur Seite stehen.
Durch Verständnis, Wärme und Herzlichkeit sollen trauernde Menschen Ruhe finden, bei sich selbst anzukommen. Ich möchte Trauernde ermutigen, sich die Freiheit zu nehmen, eigenständig zu handeln. Die »TrauerOase« ist ein Ort, an dem Trauernde persönliche Wünsche und kreative Ideen umsetzen und so den Abschied von einem geliebten Menschen für sich fassbar machen und begreifen können.
Wir Bestatter dürfen nicht bestimmen, wir müssen begleiten und stützen.
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Der letzte Wille
(Sterben und sterben lassen)
Hilfe für die Hinterbliebenen
Von der Wiege bis zur Bahre – alles ist organisiert und reglementiert. Schulnoten, Ausbildungszeugnisse; Magister, Diplome, der Führerschein – die Liste der Schriftstücke, die Ordnung in unser Leben bringen, ist beinahe endlos. Und dabei haben wir das Kontrollheft für die Zahnarztbesuche und das Bonusheft vom Fotoladen noch gar nicht eingerechnet. Abgestempelte Ausdrucke unseres Lebens, bis der Arzt die Unterschrift unter den Totenschein setzt.
Wir müssen im Leben so viele Dinge rechtzeitig planen und regeln. Von der Wahl der richtigen Krankenkasse bis hin zur privaten Altersvorsorge. Das Leben, die Krankheit, das Alter – wir versuchen die Fäden in der Hand zu behalten, solange es eben geht.
Und der Tod? Zu regeln, was nach ihm kommt, fällt vielen Menschen schwer, zwingt es uns doch, uns mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen. Den Gedanken an ein Testament schieben wir lieber weit von uns. Kommt das Thema doch einmal auf den Tisch, heißt es oft: »Ja, natürlich sollte ich ein Testament machen.« Aber wer beschäftigt sich schon gerne mit dem Tod und dann noch mit dem eigenen. Lieber verdrängen wir die Tatsache, dass er irgendwann jeden ereilt, auch uns selbst. Viele Menschen scheinen auch die Befürchtung zu haben, sie würden mit der Unterschrift unter ein Testament den Tod sozusagen direkt anfordern und er werde ihnen dann postwendend zugestellt.
Noch schwerer tun sich die meisten Leute mit der Regelung der Totenfürsorge. Wer entscheidet, was im Fall der Fälle passieren soll? Wer zu Lebzeiten nicht festlegt, wie er zum Beispiel bestattet werden möchte, bürdet seinen Angehörigen unter Umständen eine schwere Entscheidung auf. Ein Schriftstück, das die Totenfürsorge regelt, entlastet die Angehörigen in der schweren Stunde der Trauer und gibt ihnen zudem das Gefühl, dem Verstorbenen noch einen letzten Wunsch zu erfüllen.
Man kann die Totenfürsorge auch Dritten übertragen, falls man keine Angehörigen hat oder die Familienmitglieder nicht bereit oder nicht in der Lage sind, sie zu übernehmen. Testamente und Verfügungen kann man beim Notar hinterlegen, sie können aber auch formlos verfasst und jederzeit widerrufen oder geändert werden. Auf jeden Fall sollte man dafür sorgen, dass sie nach dem Tod möglichst schnell in die richtigen Hände gelangen. Mit einem Testament und einer Verfügung über die Totenfürsorge regelt man nicht nur seine letzten Angelegenheiten. Man nimmt den Angehörigen auch eine schwere Last von den Schultern.
Selbstbestimmung am Ende des Lebens
Solange der Tod »kam«, musste sich keiner rechtfertigen. So wie die Geburt immer häufiger zu einem im Voraus geplanten Zeitpunkt eingeleitet wird, wird auch das Sterben immer mehr das Ergebnis einer Handlung, über die Experten, Betroffene und Angehörige entscheiden.
Das Individuum, das sich von allen Fesseln der Tradition befreit hat, ringt nun mit den Entscheidungen, die es selbst zu treffen hat. So schreibt der Erlanger Bioethiker Jochen Vollmann: »Die zahlenmäßige Zunahme von alleinstehenden und älter werdenden Menschen
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