Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur (German Edition)
das Unternehmen langfristig geschwächt wird. Auch dies bestätigen Forschungsergebnisse. Die Frage, wie Unternehmen mit gekündigten Mitarbeitern umgehen, ist daher nicht nur eine Frage des Einfühlungsvermögens. Sie hat ökonomische Konsequenzen, weil sie eine zentrale Rolle für die künftige Motivation der verbleibenden Mitarbeiter spielt. Von entscheidender Bedeutung ist eine offene Kommunikation.
Im Verlauf einer Entlassungswelle zeigen sich deutliche Parallelen zu Trauerprozessen. Auf den ersten Schock folgt oft eine Phase der Verdrängung, in der die Betroffenen scheinbar emotionslos weiter »funktionieren« und ein Gefühl von Normalität vermitteln. Diese Phase endet oft abrupt, wenn die Realität der Entlassungen greifbar wird, beispielsweise mit der Vorstellung des Sozialplans oder wenn Mitarbeitern der Erfassungsbogen für die gesetzlich vorgeschriebene Sozialauswahl zugeschickt wird. Bald danach folgen die Trennungsgespräche und Briefe. Die Kündigung selbst ist dann ein erneuter Schock, der starke Emotionen auslöst – Schmerz, Angst, Wut. Erst nach einiger Zeit, oft mehreren Wochen, gelingt es, die Realität zu akzeptieren und in eine Phase der persönlichen Neuorientierung einzutreten. Doch auch hier gilt, dass Verallgemeinerungen der individuellen Situation und der Individualität nicht gerecht werden.
Mitarbeiter, die es nicht »erwischt« hat, wissen oft nicht, wie sie im Büroalltag mit den Betroffenen umgehen sollen. Viele meiden den Kontakt, sprechen das Thema bewusst nicht an. Ähnlich wie Trauernde berichten Entlassene häufig davon, dass auch der private Kontakt zu den Kollegen abbricht; neben den materiellen Existenzängsten ein weiterer Stressfaktor. Für viele Menschen bilden Arbeitskollegen auch das soziale Umfeld, das sie sich im Laufe der Zeit geschaffen haben, und sie tauschen sich über die Arbeit aus. Wenn nach der Kündigung der Kontakt abbricht, das Thema fehlt, führt das die Betroffenen weiter in die Isolation. Sie ziehen sich zurück.
Für die im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter ist der Umgang der Führungskräfte mit Personalabbau der »Testfall«, an dem sie ablesen, wie weit her es mit dem Spruch von den »Mitarbeitern als wertvollstem Kapital« ist. Es ist daher von größter Bedeutung, mit welcher persönlichen Haltung und mit welchen Gesten und Handlungen die Verantwortlichen reagieren und wahrgenommen werden. Für einen »Neuanfang« entscheidend ist, dass genügend Zeit eingeräumt wird, um die Erschütterung zu verarbeiten und die »Trauerarbeit« gemeinsam abzuschließen.
Von der Art, wie solche drastischen Einschnitte von Unternehmenswie von Mitarbeiterseite bewältigt werden, hängt es ab, wie die Zeit danach aussieht.
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Der Tod und sein Preis
Die Kosten-Nutzen-Brille
Mit Sterben, Tod und Trauer verbinden sich nicht nur persönliche, gesellschaftliche und philosophische Fragen. Eine Sterbe- und Trauerkultur hat, im Guten wie im Schlechten, auch eine ökonomische Seite. Die Problematisierung des Sterbens bleibt nicht ohne ökonomische Konsequenzen.
Der letzte Lebensabschnitt ist, so rechnen die Krankenkassen vor, der kostspieligste Abschnitt überhaupt. Zwei Drittel der Krankenhauskosten, die ein Mensch in Deutschland heute verursacht, fallen in seinen letzten Lebensmonaten an. Kein Preis scheint zu hoch, um Menschen am Ende des Lebens medizinisch zu versorgen und dieses Ende möglichst lange hinauszuzögern.
Anders sieht es aus, wenn es um den Umgang mit dem Verstorbenen geht. Möglichst schnell, möglichst günstig – wozu eine teure Bestattung, wozu eine aufwändige Trauerfeier? Die ökonomische Kosten-Nutzen-Brille wird auch am Ende des Lebens nicht abgenommen. Wie können wir das schnell hinter uns bringen, damit die Normalität weitergehen kann? Viele wollen oder können keine Verantwortung für die Grabpflege mehr übernehmen.
Und wo eine Nachfrage besteht, entwickelt sich das entsprechende Angebot. In der Bestattungsbranche ist das nicht anders als in anderen Märkten. Trotzdem ist der Bestattermarkt, der in Deutschland von vielen kleinen und mittelständischen Betrieben geprägt ist, schwer mit anderen Dienstleistungsbranchen zu vergleichen.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Bestattungskultur in Deutschland stark verändert und infolgedessen auch die Bestatterbranche. Beerdigungen nach traditionellem Muster sind aus der Mode gekommen. Die Nachfrage spaltet sich in einen Trend zu individuellen Bestattungsformen auf der
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