Das letzte Hemd
die Miete und
hatte ihr über seine vielen Kontakte sogar zu einem Job verholfen – schwarz
natürlich und mies bezahlt, aber sollte sie sich beschweren? Schließlich gab es
Schlimmeres, als bei reichen Leuten zu putzen, auch wenn diese Leute arrogante
Scheusale waren, die auf alle anderen Menschen herabsahen. Ihr ging es besser
als vielen ihrer Freundinnen, die ebenfalls nach Deutschland gekommen waren, in
der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Wo war denn jetzt bloß dieses Auto? Sie drückte auf die
Fernbedienung am Schlüssel, ganz hinten in der letzten Reihe gab es einen
Piepton, und Lampen blinkten auf. Mit dem großen Geländewagen fuhr sie schon
ganz gern, das musste sie zugeben. Sie fühlte sich darin sicher; einen Porsche
Cayenne hielt die Polizei nur selten an, jedenfalls nicht, wenn sie auf der
Suche nach illegalen Einwanderern war. Sie setzte sich hinters Steuer und
kramte im Fach zwischen den Sitzen nach ihrer Lieblings- CD .
Dann fuhr sie los.
***
Die Wahl fiel ihm nicht leicht, doch Matthias Strüssendorf
entschied sich erst mal für ein Wasser. Die härteren Sachen in der Minibar
würden warten müssen, schließlich war es noch früh am Abend. Er freute sich
schon auf die Rückkehr seiner kleinen Tinotschka, wie er sie immer nannte. Fast
noch mehr freute er sich aber darauf, dass sie ihm seine Aktentasche, die er in
ihrer Wohnung vergessen hatte, mitbringen würde.
Er ließ sich aufs Bett fallen und drückte auf die Fernbedienung.
Später am Abend würde die Talkshow mit dem irreführenden Zusatz »live«
ausgestrahlt werden. Dann würde er sich in der Runde illustrer Gäste sitzen
sehen, mit denen er gut fünf Stunden vorher im Studio diskutiert hatte. Die
Sendung »Talk um zehn live« wurde am Nachmittag aufgezeichnet, was der Sender
aber gern verschwieg. Strüssendorf war schon häufig zu Gast gewesen, die
Fernsehmacher mochten ihn, weil er mit seiner forschen Art und seinen strammen
Forderungen nach Law-and-Order-Politik immer für Stimmung und gute Quoten
sorgte. Das wusste auch Strüssendorf, der mal wieder recht zufrieden mit seinem
Auftritt gewesen war. Er war eben ein Macher, ein Typ. Hinsichtlich der
bevorstehenden Landtagswahl sah es für seine Partei nicht gut aus, mit der
Regierungsbeteiligung würde es wohl nichts mehr werden. Aber Strüssendorf hatte
vorgesorgt. Er hatte genug Fäden gezogen, um auch im Fall einer Wahlniederlage
in der Opposition gut leben zu können. Oder er würde sich mit Hilfe seines
Schwiegervaters einen guten Parteijob in Berlin angeln, wozu war der
schließlich seit über dreißig Jahren in der Politik?
Er warf einen Blick auf die Uhr neben dem Bett. Er durfte nicht
vergessen, später seine Frau anzurufen. Das machte er immer, wenn er nach einem TV -Auftritt in diesem Hotel übernachtete. Das
wusste seine Frau und erwartete das auch, gerade jetzt, wo sie schwanger war.
Ob sie auch von seinen kleinen Affären und Abenteuern wusste? Darüber wollte er
gar nicht nachdenken. Aber da sie bislang anscheinend nicht mal
dahintergekommen war, dass die TV -Sendung
aufgezeichnet wurde und er somit problemlos auch zurück nach Mönchengladbach,
nach Hause, hätte kommen können, glaubte er sich auf der sicheren Seite.
Vielleicht gönnte sie ihm ja auch die kleine Auszeit im teuren Hotel auf Kosten
des Senders. Zu einer Affäre hätte sie aber gewiss nicht geschwiegen.
Nachdem er eine halbe Stunde wahllos durch alle Fernsehprogramme gezappt
hatte, schaltete er den Fernseher stumm und ging ins Bad. Während das
Badewasser die Wanne füllte, schloss er die Vorhänge im Hotelzimmer und zog
sich aus. Dann nahm er, bevor er sich ins herrlich warme Wasser gleiten ließ,
sein Mobiltelefon und wählte die Nummer von Tinotschkas Prepaidhandy. Er hatte
es ihr gekauft, damit sie immer überall erreichbar war, aber nun war es
ausgeschaltet.
Er legte das Telefon auf den Wannenrand und tauchte unter. Das warme
Wasser entspannte ihn. Das war ein guter Tag, dachte er, und der Abend wird
bestimmt noch besser.
Die Haut an den Fingerkuppen war schon schrumpelig, als es an
seiner Tür klopfte. Er erschrak. War er etwa eingeschlafen? Jetzt war er
jedenfalls hellwach und das Zimmer stockdunkel. Wieder hörte er ein Klopfen an
der Tür.
»Tinotschka? Bist du es?«, rief er ins dunkle Zimmer und spürte, wie
die Erregung in ihm aufstieg. Er liebte diese Spielchen, erst ließ sie ihn
zappeln und reagierte nicht auf seine Anrufe, und nun stand sie wahrscheinlich
in einem Hauch von Nichts vor
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