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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Klosterkirche von Die statt, einem erstaunlich großen Raum, dessen Holzwände mit bemaltem Leder verkleidet waren. Die Malereien stellten farbenprächtige Szenen dar. Eine Tafel zeigte viel nacktes Volk, das in die Hölle stürzte, wo es von einer riesigen Schlange verschlungen wurde. «Leichenfresser», sagte Ragnar und erschauerte. «Leichenfresser?»
    «Die Schlange von Niflheim», erklärte er mir und befingerte sein Hammeramulett. Wie ich wusste, war Niflheim die Hölle der Nordmänner, in der im Unterschied zur christlichen Hölle eisige Kälte herrschte. «Nidhögg - so heißt diese Schlange - ernährt sich von den Toten», fuhr Ragnar fort. «Aber sie nagt auch am Lebensbaum. Sie will die ganze Welt vernichten und das Ende der Zeiten herbeiführen.»
    Hinter dem Altar hing eine Tafel, die Christus am Kreuz darstellte. Gleich daneben war ein Bild zu sehen, das Ivar besonders beeindruckte. Ein Mann, an einen Pfahl gefesselt'und nackt bis auf ein Lendentuch, war das Ziel von Bogenschützen. Mindestens zwanzig Pfeile steckten schon in seinem weißen Fleisch. Dennoch hatte er einen verklärten Ausdruck im Gesicht, lächelte und schien trotz der erlittenen Schmerzen frohen Mutes zu sein. «Wer ist das?», wollte Ivar wissen.
    «Der heilige Sebastian.» König Edmund saß vor dem Altar, daneben der Übersetzer, der seine Antwort vortrug. Mit seinen Totenkopfaugen starrte Ivar das Gemälde an. Er wollte die ganze Geschichte hören, und so erzählte Edmund, wie sich der Heilige, ein römischer Soldat, geweigert hatte, seinen Glauben zu verleugnen, worauf er vorn Kaiser zum Tode durch Pfeilschüsse verurteilt worden war. «Doch er überlebte!», frohlockte Edmund. «Er lebte, weil Gott ihn schützte. Gott sei gepriesen für seine Gnade.»
    «Er überlebte?», fragte Ivar misstrauisch.
    «Also musste ihn der Kaiser tot knüppeln lassen», hier endete der Übersetzer die Geschichte.
    «Er überlebte also nicht.»
    «Er fuhr in den Himmel», sagte König Edmund. «Dort lebt er bis in alle Ewigkeit.»
    Ubba schaltete sich ein, er wollte wissen, was es mit diesem Himmel auf sich habe. Eifrig schilderte Edmund seine Freuden, doch Ubba spuckte nur verächtlich aus, als ihm klar wurde, dass der christliche Himmel eine Art Walhalla ohne Feiern und Vergnügungen war. «Und da wollt ihr Christen wirklich hin?», fragte er ungläubig.
    «Natürlich», antwortete der Übersetzer.
    Ubba verzog das Gesicht. Er und seine Brüder hatten so viele Männer mitgebracht, dass kaum alle in die Kirche passten, während Edmunds Gefolge lediglich aus zwei Priestern und sechs Mönchen bestand. Sie hörten aufmerksam zu, als Ivar seinen Vorschlag zur Beilegung des Konfliktes ausführte. Demnach sollte Edmund verschont bleiben und weiter über Ostanglien herrschen dürfen, vorausgesetzt, alle größeren Festungen würden mit Dänen besetzt. Ferner verlangte Ivar, dass sich seine Leute niederlassen konnten, wo sie wollten, ausgenommen auf königlichem Besitz. Außerdem erwartete er von Edmund, dass er das Dänenheer mit Pferden ausstattete, den Kriegern Geld und Verpflegung zukommen ließ und sein Fyrd, oder das, was davon übrig geblieben war, unter dänischen Oberbefehl stellte. Edmund hatte keine Söhne, und so forderte Ivar die Söhne der ostanglischen Aldermänner als Geiseln zur Gewähr dafür, dass die von ihm vorgeschlagenen Bedingungen eingehalten würden.
    «Und wenn ich nein sage?», fragte Edmund.
    Ivar schmunzelte. «Auch dann nehmen wir uns, was wir wollen.»
    Der König beriet sich mit den Priestern und Mönchen.
    Edmund war ein großer, hagerer Mann und, obwohl erst dreißig Jahre, kahl wie ein Ei. Er hatte vorstehende Augen, schmale Lippen und die Stirn stets in Falten gelegt. Er trug ein weißes Gewand, das ihn wie einen Priester aussehen ließ. «Und Gottes Kirche?», fragte er. «Was soll damit sein?»
    «Eure Männer haben Altäre des Herrn entweiht, seine Diener gemeuchelt, sein Bild befleckt und seine Schätze geraubt.» Der König war sichtlich erzürnt. Eine seiner Hände hielt die Armlehne des Stuhls, auf dem er saß, umklammert, während die andere, zur Faust geballt, den Takt zu seinen Worten schlug.
    «Kann Euer Gott nicht auf sich selbst aufpassen?», fragte Ubba.
    «Unser Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, ist allmächtig», erklärte Edmund. «Aber er lässt das Böse in die Welt, um uns zu prüfen.»
    «Amen», murmelte einer der Priester, als Ivars Ubersetzer die Worte des Königs übersetzt

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