Das letzte Koenigreich
zusammengerollten Segel. Zwei Jungen lagen tot am Ufer. Das führende englische Schiff drehte nun bei und steuerte das Land an. Im Bug drängten sich die Männer mit erhobenen Speeren, Äxten und Schwertern. «Edmund!», brüllten sie, «Edmund!» Kaum hatte das Schiff das Ufer erreicht, sprangen die Männer von Bord und fielen über die dänischen Schiffswachen her. Die schweren Äxte fuhren nieder. Blut spritzte, versickerte im Sand oder löste sich in den Wellen, die den Strand umspülten. Ich ergriff Bridas Hand und zerrte sie durch einen flachen Wasserlauf, in dem winzige silbrige Fische auseinander stoben. «Wir müssen Ravn in Sicherheit bringen!», rief ich ihr zu.
Sie lachte. Brida genoss jede Aufregung.
Drei der englischen Schiffe lagen inzwischen am Strand, und während ihre Besatzung den Rest der dänischen Wache niedermetzelte, zog das vierte Schiff, Feuerpfeile versendend, am Ufer entlang. Nun aber kehrten Ubbas Männer mit lautem Gebrüll ins Lager zurück und eilten denen zu Hilfe, die vor dem Erdwall standen, um die Landzunge gegen den erwarteten Angriff von Edmunds Truppen zu verteidigen. Sie alle waren außer sich vor Wut, denn die Dänen lieben ihre Schiffe. Ein Schiff, so sagen sie, ist wie eine Frau oder ein Schwert, schlank und schön, etwas, wofür es sich zu kämpfen, ja, selbst zu sterben lohnte. Die Ostangeln hatten zwar großen Mut bewiesen, jedoch einen entscheidenden Fehler begangen, denn nun kam die Ebbe, und sie konnten ihre Schiffe nicht mehr zurück in die flachen Wellen ziehen. Während ein Teil der Dänen die un-
Versehrten Schiffe schützten, indem sie auf die Mannschaft des einzigen noch im Wasser liegenden Feindesbootes einen Hagel aus Pfeilen und Speeren nieder regnen ließen, griffen alle anderen die Engländer am Ufer an.
Es war ein reines Gemetzel. Dänische Raserei, eine Schlacht, dazu angetan, von den Skalden in Versen gepriesen zu werden! Blut überschwemmte den Strand und wurde von dem niedrigen Wassersaum zurückgespult, Männer schrien und fielen, und über alldem wirbelte der Rauch der brennenden Schiffe und verdüsterte die rote Sonne über dem rot gefärbten Sand. Ich sah zum ersten Mal Ubba kämpfen und bewunderte ihn, denn er und sein Schwert waren der Tod selbst. Er kämpfte nicht im Schildwall, sondern wütete zwischen seinen Gegnern, schlug mit dem Schild zu und tötete mit der Axt, selbst scheinbar unbesiegbar, denn sooft er auch von feindlichen Kämpfern umzingelt war, konnte er sich doch immer wieder befreien. Seine Klinge war rot, in seinem Bart glitzerte Blut, und kaum hatte er einen niedergestreckt, machte er sich über den Nächsten her. Ragnar und seine Männer taten es ihm gleich. In wütender Raserei rächten sie sich an den Männern, die ihre Schiffe in Brand gesetzt hatten, und als das Brüllen und Töten ein Ende hatte, lagen achtundsechzig Engländer tot im Sand. Andere, die wir nicht zählen konnten, waren ins offene Wasser geflohen und, von ihrer Rüstung nach unten gezogen, ertrunken. Das einzige Schiff, das entkam, war voller Sterbender und zog eine blutige Schleppe hinter sich her. Die siegreichen Dänen tanzten zwischen den Leichen und sammelten die erbeuteten Waffen. Dreißig Dänen waren tot und wurden auf einem der brennenden Schiffe eingeäschert. Wir hatten sieben Schiffe verloren. Dafür waren uns drei englische Schiffe in die
Hände gefallen, für die Ragnar aber nur Hohn und Spott übrig hatte. «Erstaunlich, dass sie überhaupt schwimmen», sagte er und trat gegen eine schlecht verspannte Entlastungsplanke.
Trotzdem, fand ich, hatten sich die Ostangeln gut geschlagen. Indem sie die Drachenschiffe in Brand gesetzt hatten, war es ihnen gelungen, den Stolz der Dänen zu verletzen, und wenn König Edmund mit seinen Truppen unseren Wall gestürmt hätte, wäre es um uns geschehen gewesen. Doch statt anzugreifen, war er abgezogen.
Er hatte damit gerechnet, dass das dänische Heer die Küste überfallen würde, musste aber dann erfahren, dass der Hauptangriff im Hinterland geführt wurde. Ivar der Knochenlose war in Edmunds Königreich einmarschiert.
Und Ubba kochte vor Wut. Die wenigen englischen Gefangenen wurden Odin geopfert, ihre Schreie sollten uns die Hilfe des Gottes erflehen. Am nächsten Morgen ließen wir die rauchenden, schwarzen Schiffsskelette hinter uns und ruderten mit der Drachenflotte nach Westen.
VIER
König Edmund von Ostanglien wird heute als Heiliger verehrt, als eine jener gesegneten Seelen, die auf ewig
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